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Die Geburt Europas im Mittelalter

Die Geburt Europas im Mittelalter

Titel: Die Geburt Europas im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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«Bettelorden» wurde ihnen gegeben, weil ihr erstaunlichstes Merkmal die gelebte Praxis der Demut und Armut war, die dazu führte, dass man von «Bettelbrüdern» oder bei denen, die dem Orden des Franziskus von Assisi angehörten, von «Minderbrüdern» sprach. Der Erfolg dieser Orden regte zu Beginn des 13. Jahrhunderts zahlreiche Nachfolgegründungen an. Aber das zweite Lyoner Konzil von 1274 löste sie fast alle wieder auf und ließ nur vier bestehen: den Predigerorden der Dominikaner, den Minoritenorden der Franziskaner, den Eremitenorden der Augustiner und den Karmeliterorden; zu Beginn des 14. Jahrhunderts bestätigte der Papst auch die Regel des Ordens der Serviten oder Diener Mariens, der aus einer Gruppe bußfertiger Florentiner Kaufleute hervorgegangen war, die sich in den Dienst eines Maria gewidmeten Hospizes gestellt und sich aus der Stadt zurückgezogen hatten, um gemeinschaftlich ein armes Leben zu führen. Ihr Erfolg beschränkte sich hauptsächlich auf Italien, vor allem auf den italienischen Norden. Viele von ihnen kehrten in die Städte zurück, etwa nach Rom, wo sie die Kirche San Marcello erhielten, oder nach Paris, um die dortige Universität zu besuchen. Aber die traditionelle Geschichtsschreibung zählt sie nicht zu den Bettelorden.
    Die Persönlichkeiten der Ordensgründer haben viel zu dem herausragenden Ansehen beigetragen, das die Dominikaner und die Franziskaner genossen. Dominikus, um 1170 im kastilischen Caleruega geboren, war 1196 Kanoniker des Kathedralkapitelsvon Osma geworden. Im Zuge einer Mission durchquerte er das Languedoc und erschrak über den Einfluss der Häretiker in dieser Gegend. Er beschloss, sie auf ihrem eigenen Gebiet zu bekämpfen, indem er in vorbildlicher Armut als Wanderprediger umherzog. Seine Stützpunkte waren Prouille und Fanjeaux, zwei Orte zwischen Carcassonne und Toulouse. Er scharte eine Bruderschaft von Klerikern um sich, mit der er sein Vorhaben so erfolgreich vorantrieb, dass sie 1215 von Papst Innozenz III. anerkannt wurde. Im selben Jahr untersagte das vierte Laterankonzil die Gründung neuer Orden. Aber nachdem Dominikus und seine Anhänger die in Kanonikerkreisen übliche Regel des hl. Augustinus übernommen hatten, erhielt er durch eine päpstliche Bulle im Jahr 1217 die Genehmigung, einen «Predigerorden» zu gründen. Dominikus schickte seine Brüder in verschiedene, möglichst große städtische Zentren – im Unterschied zu den Franziskanern, die mittlere und kleine Städte vorzogen –, insbesondere nach Bologna und Paris, weil er Wert darauf legte, dass ihre Predigten auf ernsthaften Studien beruhten. Am Ende seines Lebens wirkte Dominikus vor allem in Oberitalien, wo er 1221 im Konvent von Bologna starb. Im Jahr 1234 wurde er heilig gesprochen.
    Ganz anders stellt sich Franziskus von Assisi dar. Als Sohn eines Tuchhändlers aus der kleinen Stadt Assisi fühlte er sich von der ritterlichen Lebensweise angezogen. Um 1206 beschloss er in einem spektakulären Akt, diesem Leben zu entsagen und auf das Erbe seines Vaters, der ihn zum Geschäftsnachfolger machen wollte, zu verzichten. Vor der öffentlichen Menge entledigte er sich aller seiner Kleider, verfluchte das Geld und den Handel und rief seine Mitbürger zur Armut im Dienst Christi auf. Mit einigen Gefährten bildete er eine Gruppe von Wanderpredigern, die sich in zwei bescheidenen Kirchen in der Umgebung von Assisi versammelten, San Damiano und San Mariae de Portiuncula. In schwierigen Verhandlungen mit Papst Innozenz III. erreichte Franziskus die Anerkennung seiner aus Klerikern und Laien bestehenden Bruderschaft, musste die Regel, die er dem neuen Orden geben wollte, aber auf Anweisung von Papst Honorius III. wiederholt überarbeiten, ehe dieser sie – nachdem Franziskus die provozierendstenPassagen über die Armut und das Gemeinschaftsleben gestrichen hatte – 1223 endgültig bestätigte.
    Bevor wir uns einen Eindruck von den Anfängen des Franziskanerordens verschaffen, die im Gegensatz zur Gründung der Dominikaner ausgesprochen unruhig waren, möchte ich den neuen Charakter der beiden Orden betonen. Das Ungewöhnlichste ist sicher ihre Verwurzelung in den Städten, die sie zum Zentrum ihres Wirkens machten, wobei die Franziskaner außerdem als Wanderprediger umherzogen und Eremitorien als Rückzugsorte in den Bergen unterhielten. Aber auch die Art, wie sie ihren Lebensunterhalt bestritten, unterschied sich radikal von der des klösterlichen Mönchtums. Sie hatten keinen

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