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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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guter Dinge
wir wallten durch das Nusler Tal;
zwei kleine, blaue Schmetterlinge
verflatterten im Abendstrahl.

    Am Häuschen lehnte die Melone
dort – wie auf einem Bilde Dows,
und herrlich mit der Kuppelkrone
hob sich das Haupt des Karlshofs.

    Im West war noch der Weizen golden,
blaugrün verdämmerte der Kohl;
die ersten weißen Sternendolden
umzitterten den Himmelspol.

    KAJETAN TÝL
Bei Betrachtung seines Zimmerchens, das auf der böhmischen ethnographischen Ausstellung zusammengestellt war

    Da also hat der arme Týl
sein Lied »Kde domov muj« geschrieben.
In Wahrheit: Wen die Musen lieben,
dem gibt das Leben nicht zuviel.

    Ein Stübchen – nicht zu klein dem Flug
des Geistes; nicht zu groß zur Ruhe. –
Ein Stuhl, als Schreibtisch eine Truhe,
ein Bett, ein Holzkreuz und ein Krug.

    Doch wär er nicht für tausend Louis
von Böhmen fort. Mit jeder Fiber
hing er daran. – »Ich bleibe lieber«,
hätt er gesagt, »kde domov muj. «

    VOLKSWEISE

    Mich rührt so sehr
böhmischen Volkes Weise,
schleicht sie ins Herz sich leise,
macht sie es schwer.

    Wenn ein Kind sacht
singt beim Kartoffeljäten,
klingt dir sein Lied im späten
Traum noch der Nacht.

    Magst du auch sein
weit über Land gefahren,
fällt es dir doch nach Jahren
stets wieder ein.

    DAS VOLKSLIED
    Nach einer Kartonskizze des Herrn Liebscher

    Es legt dem Burschen auf die Stirne
die Hand der Genius so lind,
daß mit des Liedes Silberzwirne
er seiner Liebsten Herz umspinnt.

    Da mag der Bursch sich süß erinnern,
was aus der Mutter Mund ihm scholl,
und mit dem Klang aus seinem Innern
füllt er sich seine Fiedel voll.

    Die Liebe und der Heimat Schöne
drückt ihm den Bogen in die Hand,
und leise rieseln seine Töne
wie Blütenregen in das Land.

    Und große Dichter, ruhmberauschte,
dem schlichten Liede lauschen sie,
so gläubig wie das Volk einst lauschte
dem Gotteswort des Sinai.

    DORFSONNTAG

    Im Wirtshaus auf den blanken Dielen
schwingt sich die Jugend frisch und laut,
des Burschen Hand, so hart von Schwielen,
drückt die des blonden Mädchens traut;
bierfrohe Musikanten spielen
ein Lied aus der ›Verkauften Braut‹.

    »Trinkt zu! Ich will euch heut besolden. «
Der Pfarrherr. Der liebt muntern Geist.
Und wie er nach dem Tanz die Holden
zu seinem Tische kommen heißt,
da geht der Abend draußen, golden,
und lacht durch alle Fenster dreist.

    MEIN GEBURTSHAUS

    Der Erinnrung ist das traute
Heim der Kindheit nicht entflohn,
wo ich Bilderbogen schaute
im blauseidenen Salon.

    Wo ein Puppenkleid, mit Strähnen
dicken Silbers reich betreßt,
Glück mir war; wo heiße Tränen
mir das ›Rechnen‹ ausgepreßt.

    Wo ich, einem dunklen Rufe
folgend, nach Gedichten griff,
und auf einer Fensterstufe
Tramway spielte oder Schiff.

    Wo ein Mädchen stets mir winkte
drüben in dem Grafenhaus …
Der Palast, der damals blinkte,
sieht heut so verschlafen aus.

    Und das blonde Kind, das lachte,
wenn der Knab ihm Küsse warf,
ist nun fort; fern ruht es sachte,
wo es nie mehr lächeln darf.

    IN DUBIIS

    I
    Es dringt kein Laut bis her zu mir
von der Nationen wildem Streite,
ich stehe ja auf keiner Seite;
denn Recht ist weder dort noch hier.

    Und weil ich nie Horaz vergaß,
bleib gut ich aller Welt und halte
mich unverbrüchlich an die alte
aurea mediocritas.

    II
    Der erscheint mir als der Größte,
der zu keiner Fahne schwört,
und, weil er vom Teil sich löste,
nun der ganzen Welt gehört.

    Ist sein Heim die Welt; es mißt ihm
doch nicht klein der Heimat Hort;
denn das Vaterland, es ist ihm
dann sein Haus im Heimatsort.

    BARBAREN

    Ich weiß von einem Riesenparke
dort, wo die Stadt sich schon verliert;
jetzt nagt die Axt an seinem Marke,
sie sagen: Er wird parzelliert.

    Das ist der Fürstenpark Clam-Gallas,
der Mietskasernen weichen soll,
der war doch wie ein Hain der Pallas
der raunenden Orakel voll.

    Jetzt stürmen sie, die Ungeweihten,
den Ort, den kein Profaner sah:
Es übertönt der Lärm der Zeiten
das Götterwort der Pythia.

    SOMMERABEND

    Die große Sonne ist versprüht,
der Sommerabend liegt im Fieber,
und seine heiße Wange glüht.
Jach seufzt er auf: »Ich möchte lieber … «
    Und wieder dann: »Ich bin so müd … «

    Die Büsche beten Litanein,
Glühwürmchen hangt, das regungslose,
dort wie ein ewiges Licht hinein;
und eine kleine weiße Rose
    trägt einen roten Heiligenschein.

    GERICHTET

    Am ›Ring‹ stand einst ein Blutgerüst,
lang ist es her; doch wenn der Schein
des runden Monds das Rathaus küßt,
dann wallen aus dem

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