Die Gedichte
Verdunkelungen
des Regenabends, jung und rein;
in seinen Ranken schenkend ausgeschwungen
und doch versunken in sein Rose-sein;
die flachen Blüten, da und dort schon offen,
jegliche ungewollt und ungepflegt:
so, von sich selbst unendlich übertroffen
und unbeschreiblich aus sich selbst erregt,
ruft er dem Wandrer, der in abendlicher
Nachdenklichkeit den Weg vorüberkommt:
Oh sieh mich stehn, sieh her, was bin ich sicher
und unbeschützt und habe was mir frommt.
Wie die Natur die Wesen überläßt
dem Wagnis ihrer dumpfen Lust und keins
besonders schützt in Scholle und Geäst:
so sind auch wir dem Urgrund unseres Seins
nicht weiter lieb; er wagt uns. Nur daß wir,
mehr noch als Pflanze oder Tier,
mit diesem Wagnis gehn; es wollen; manchmal auch
wagender sind (und nicht aus Eigennutz)
als selbst das Leben ist –, um einen Hauch
wagender … . Dies schafft uns, außerhalb von Schutz,
ein Sichersein, dort wo die Schwerkraft wirkt
der reinen Kräfte; was uns schließlich birgt
ist unser Schutzlossein und daß wir’s so
in’s Offne wandten, da wir’s drohen sahen,
um es, im weitsten Umkreis, irgendwo,
wo das Gesetz uns anrührt, zu bejahen.
Noch fast gleichgültig ist dieses Mit-dir-sein …
Doch über ein Jahr schon, Erwachsenere, kann es vielleicht
dem Einen,
der dich gewahrt, unendlich bedeuten:
Mit dir sein!
Ist Zeit nichts? Auf einmal kommt doch durch sie
dein Wunder. Daß diese Arme,
gestern dir selber fast lästig, einem,
den du nicht kennst, plötzlich Heimat
versprechen, die er nicht kannte. Heimat und Zukunft.
Daß er zu ihnen, wie nach Sankt-Jago di Compostella,
den härtesten Weg gehen will, lange,
alles verlassend. Daß ihn die Richtung
zu dir ergreift. Allein schon die Richtung
scheint ihm das Meiste. Er wagt kaum,
jemals ein Herz zu enthalten, das ankommt.
Gewölbter auf einmal, verdrängt deine heitere Brust
ein wenig mehr Mailuft: dies wird sein Atem sein,
dieses Verdrängte, das nach dir duftet.
An der sonngewohnten Straße, in dem
hohlen halben Baumstamm, der seit lange
Trog ward, eine Oberfläche Wasser
in sich leis erneuernd, still’ ich meinen
Durst: des Wassers Heiterkeit und Herkunft
in mich nehmend durch die Handgelenke.
Trinken schiene mir zu viel, zu deutlich;
aber diese wartende Gebärde
holt mir helles Wasser ins Bewußtsein.
Also, kämst du, braucht ich, mich zu stillen,
nur ein leichtes Anruhn meiner Hände,
sei’s an deiner Schulter junge Rundung,
sei es an den Andrang deiner Brüste.
Mädchen ordnen dem lockigen
Gott seinen Rebenhang;
Ziegen stocken, die bockigen,
Weinbergmauern entlang.
Amsel formt ihren Lock-Ruf rund,
daß er rollt in den Raum;
Glück der Wiesen wird Hintergrund
für den glücklichen Baum.
Wasser verbinden, was abgetrennt
drängt ins verständigte Sein,
mischen in alles ein Element
flüssigen Himmels hinein.
FÜR ERIKA MITTERER
1924/1926
ERSTE ANTWORT
FÜR ERIKA MITTERER
»Alles, was froh ist, ist ganz.«
Daß Du bist genügt. Ob ich nun wäre,
laß es zwischen uns in Schwebe sein.
Wirklichkeit ist wahr in ihrer Sphäre;
schließlich schließt das ganz Imaginäre
alle Stufen der Verwandlung ein.
Wär ich auch der abgetanste Tote,
da Du mich erkanntest, war ich da;
folgend Deinem innern Aufgebote,
nahm ich leise teil an Deinem Brote:
Du ernährtest mich, und ich geschah …
Soll mich nun dafür der Zweifel ätzen,
ob Du wirklich bist, die zu mir spricht?
Ach, wie wir das Unbekannte schätzen:
nur zu rasch, aus Gleich- und Gegensätzen,
bildet sich ein liebes Angesicht!
am 3. Juni 1924
Château de Muzot s /Sierre (Valais), Schweiz.
ZWEITE ANTWORT
FÜR E. M.
Ach, wie beschäftigt wir sind,
weil die Libellen einander nicht
genügend anstaunen,
weil ihre Pracht
ihnen einander kein Rätsel ist
und kaum Versuchung,
sondern ein Gegenwert.
Genau dem, was sie opfern,
ihrer Lebenskürze genau
entspricht es, so prächtig zu sein,
und von der Pracht, die sie leicht zueinander spielt,
geht ihre Liebe nicht über.
Wir, vor Überflüssen stehen wir, Verschwendungen,
oder, plötzlich, vor zu wenig Dasein.
Über das Übermaß Aufgangs,
mit dem die Geliebte heraufglänzt,
verfügt ein sich trübender Tag.
Wind zerstreut ihren Duft,
und ein stürzender Bach überstimmt sie …
Wer war ihr gewachsen, wer ihrer Übermacht,
wer ertrug sie auch nur,
da sie heraufkam –,
und bald schon,
da noch Mittag nicht ist,
begreift er das Andere nicht: ihre Armut.
Seine und ihre.
Oder des Reichtums Unbrauchbarkeit,
oder das nicht mehr Zugleichsein
im
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