Die Gedichte
Melitten ,
wie ein Bogen angespannt.
Daß Dir die, die durch die Gartenwege
immer wie ein Flüchtling ging,
jenen Pfeil an Deine Sehne lege,
welcher Richtung ist und Ding.
Daß sie Dir die unbewährte Waage
prüfe durch gewagtestes Gewicht,
und Dein Zeitlosbleiben überrage
mit dem stundenvollen Angesicht.
FÜR ERIKA
1
So schweige nun. Auch ich will schweigen, denn
wo wäre irgend Rede diesem Schweben?
Schon hast Du ja dem leise neigenden
fühlenden Winde fühlend nachgegeben.
Befürchte nichts, er wird nie wilder sein;
doch, da uns Kräfte rätselhaft umkreisen,
schließt sich um uns ein Kreis: Gewalt ist ein
Entschlossenstes im Stärksten wie im Leisen.
2
Ob ich regnen kann, ich weiß es nicht,
über Dir Du sanfteste der Matten.
Vielleicht bin ich nur der Wolkenschatten,
der Dein Glühendliegen unterbricht.
Bin der Wind, der diese Wolke treibt,
bin ihr leicht verwandeltes Volumen,
bin die Macht, die Deinen klaren Blumen
schattige Verhaltung einverleibt.
3
Stille, wehende Wiese,
was Du auch je verlörst –,
wisse die Paradiese,
denen Du zugehörst.
Fühle die kühleren Haine,
die Dich umgeben rings,
und bestärke das reine
Schwanken des Schmetterlings.
4
Ja: jedes Bild ist Mauer. Laß uns ohne
daß wir ein Bild bemühn, vertrauter sein.
Ich denke zärtlich nur, wie ich Dich schone –,
Du aber winde eine Blumenkrone
und wirf sie in den nächsten Bach hinein.
Nichts ist verloren, alles giebt sich weiter.
Verschwende an den unbekannten Freund
die Freude Deiner täglichen Begleiter
und alles, was Dich heimlich macht und heiter,
bis zu der Luft, die Dir die Hände bräunt.
5
V ielleicht vom Abendsonnenschein belebt ,
wird das Erwarten selber zur Vollendung;
da geben sich die Fernen ohne Blendung, –
vielleicht vom Abendsonnenschein belebt.
Vielleicht vom Abendsonnenschein belebt ,
erscheinen diese Perlen lang getragen,
obwohl sie gestern noch im Meere lagen –
vielleicht vom Abendsonnenschein belebt.
Vielleicht vom Abendsonnenschein belebt ,
sind wir die Gleichen und die immer Neuen –,
und doch ist dieses Freuen unser Freuen,
vielleicht vom Abendsonnenschein belebt.
6
Daß uns das Sternbild nicht fehl,
halten wir uns am Entlegnen;
wo sie dem Schicksal begegnen,
machen die Sterne kein Hehl
aus ihrer Neigung, zu regeln,
was sich in ihnen gewahrt –,
über den wagendsten Segeln
stehn sie als Zeichen der Fahrt.
Welche Dein werbender Bogen
Dir auch gewinnen mag:
fühle Dich einbezogen,
stärke die Sterne bei Tag.
7
(Daß sie Dir einmal entgelten,
tief in die Nächte gepflanzt,
daß Du zu älteren Welten
mit vergänglichem Herzen standst!)
(am 21. und 22. Juli, noch Ragaz.)
SIEBENTE ANTWORT
FÜR ERIKA
1
Du »einig Weiß«, ich mag Dich nicht zerspalten
in das, was abwehrt, und in das, was ruft;
es sei, nach ihrem Wesen abgestuft,
jegliche Farbe klar in Dir enthalten.
Du, Deiner sieben Farben Inbegriff,
empfinde, was die Vielfalt Dir verspricht,
doch, wenn sie Dich verwirrt, so übertriff
sie immer neu mit Deinem weißen Licht.
2
Es kann wohl ein so fernes Ziel erreichen ,
das Aufschaun, das aus unsern Tiefen steigt – ;
irgend ein Stern ist immer zugeneigt:
so kann es ein so fernes Ziel erreichen.
Scheint es für uns zu zittern, jenes Zeichen,
in einem Himmel, der beständig schweigt?
Es giebt sich Mühe, unserm Blick zu gleichen,
wenn es in unser Zögern niederzeigt.
3
Du, die mir duftet: süß,
wie eben die Linden:
da ich Dich wiedergrüß,
hoff ich zu binden?
Mein ich, mit meinem Gruß,
Dich zu befrein? …
Träum es nur, oder tu’s – :
beides heißt sein.
4
Warst Du’s, die ich im starken Traum umfing
und an mich hielt – und der ich mit dem Munde
ablöste von der linken Brust ein Ding,
ein braunes Glasaug wie von einem Hunde,
womit die Kinder spielen … , oder Reh,
wie es als Spielzeug dient? – Ich nahm es mir
erschrocken von den Lippen. Und ich seh,
wie ich Dir’s zeige und es dann verlier.
Du aber, die das alles nicht erschreckte,
hobst Dein Gesicht, als sagte das genug.
Und es schien schauender, seit die entdeckte
geküßte Brust das Auge nicht mehr trug.
(Traum: Nacht vom 28. auf den 29. Juli.)
5
Könnt es sein! Die Freundin macht die Reise
zu dem Freund, den sie von fern erkannt,
und an ihn gelehnt, erfährt sie leise,
ob er wirklich ihr Gefühl umspannt.
Könnt sie Gast sein eine Sommerwoche
in des Turms umschließendem Geviert,
daß die unbeschreibliche Epoche
nicht im offnen Warten sich verliert.
Selbst der Irrtum hätte
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