Die Gedichte
sein, noch Ziel.
Höchstens Mund dem Wagnis eines Lautes,
der mich unbedingter überfiel.
Höchstens Wind in Deinem Blumengrunde,
höchstens weichen Regens Niederfall –,
oder, plötzlich, in der freisten Stunde,
beides: Fangender und Ball.
(In den ersten Julitagen
1924)
FÜNFTE ANTWORT
DIE LIEBENDEN
(Erika und Melitta)
Folge
IV
Wieviel Abschied ward uns beigebracht,
jedes Mal so oft wir uns begrüßten,
wieviel Morgen war in unsrer süßsten
Nacht gelöst und übertraf die Nacht.
Alles ist den Liebenden verteilter,
jeder Teil hat Glanz des Gegenteils;
Glücke stürzen sich mit übereilter
Sorge in die Bahn des nächsten Pfeils.
Doch der Gott zeigt niemals zwei Gesichter
und hat nicht Gefallen am Verrat,
nur: er ist ein Bringer und Verzichter,
und sein Mund hat beides gleich bejaht.
V
Etwas vom Munde des Gotts
spiegelt im Mund der Geliebten
zwischen Tröstung und Trotz.
Dieser unsägliche Zug,
spiegelnd im Mund der Geliebten,
macht sie ihm ähnlich genug.
VI
Wie Kinder, wenn sie genügend versteckt sind im Spiel,
im gewählten Versteck fürchten und wünschen zugleich,
dennoch gefunden zu sein:
also müßtest du mich, hinter dir selber, Geliebte,
zwiefach erwarten. Oh, das Gefundensein,
wenn dann die ganze
Angst der Verborgenheit, dieses verschworene Eins-Sein
mit Verduckung und Schutz
umschlägt und, als zu lang schon
heuchelnd verhaltene Lust, den erhofftesten Schrecken,
selig, der Findung vermehrt.
Lockt dich nicht so viel Sichtbarkeit? Denk:
aus dem jubelnden Zugriff des Andern
plötzlich, Überfluß, übergehn! …
VII
Was der Mann mitbrächte an Habgier,
diese Spur Mord, ist nicht zwischen uns, Schwester.
Nichts von dem gefährlich verwandelten
Hasse des Andern, der uns beneidet
um Unerreichbarkeit. Wir, wir, Geliebte,
Gleiche im innigen Anderssein,
wir erfüllen einander das Unerfüllbare
ganz ohne Täuschung, leise es tauschend.
VIII
Auf der Flucht ins Unsichtbare,
die uns alle vorüberreißt,
dieses reine Verweilen,
das nach dir heißt.
In dem immer Verlieren,
darin alles uns flieht,
dieses wache Behalten,
das dich sieht.
Wie man einen Grabstein liest,
les ich meinen Lebens-Stein:
Weil du so schön geschiehst,
will ich sein.
(5ten, 6ten, 7ten Juli, Ragaz.)
FÜR ERIKA
Dich, Heide , formen? … Und nach welchem Bild,
als dem, das Du in wagenden Entwürfen
begannst, zu Deiner Seligkeit gewillt?
Dich formt die Wahl, die aus Dir überwallt.
Und das der Gott gewährt, das Leidendürfen,
entschließt Dir schön die zögernde Gestalt.
Und womit willst Du Glück und Leid ermessen,
als mit dem Herzen, das Dir übergeht?
Freilich, die Quelle, die zu stark stürzt, dreht
im Becher um, der sie schon fast besessen.
Doch langsam wird er diesem Übermaße
zum vollen Maß, wenn man ihn richtig hält.
Sieh, wie sie glänzt, des Überflusses Straße,
die über Deine Hände fällt …
Dein Laut klingt auf wie ein Schritt
zwischen Kommen und Schwinden –.
Aber Dein junger Duft geht mit
und weht weiter zu Dritt
mit dem Düften der Wiesen und Linden.
Mir sagt mein Gehör, daß Du steigst –,
ach, was bin ich nicht oben,
wenn Du Raum atmest und schweigst
und Dich den offenen Fernen zeigst,
Deine leichte Ankunft zu loben.
(Ragaz, am 12. Juli)
SECHSTE ANTWORT
Nein, Du sollst mir nicht verfallen sein
in den schwülen Liebeszimmern;
sieh, wie meine Wege ziehn und schimmern
in dem Glanz von Deinem Feuerschein.
Komm, Gefangene, ans schöne Fenster,
das mein Zeilengitter überspannt:
ein, von Deiner Seligkeit ergänzter
Himmel nimmt dahinter überhand.
Ihn den sehnend Liebenden zu zeigen,
wandte ich manch klares Angesicht …
Aber, ach, wie wäre er mein eigen:
ihn versprechen darf ich nicht.
(12. Juli)
Laß uns, Heide , wie die Weisen reden
von Gefühl, Gefahr und Glanz –,
von dem hohen Himmel über Eden
und dem Ungenügen jedes Lands.
Da wir wissen, laß uns nichts verschweigen,
statt daß Herzen sich zur Qual bemühn …
Innen rosa, wie die reifen Feigen,
zeigen wir uns dunkelgrün.
(12. Juli)
(Wär es möglich, und Du gingest neben
mir den sommerlichen Wiesenweg –,
junge Heide , überleg,
könnt ich anders, als Dich weitergeben?
Ich bin jener, den man nicht erreicht,
und im Recht nur, wo ich mich erwehre.
Dicht an Deinem Herzen wär ich Schwere,
aber aus der Ferne mach ich leicht.)
(12. abends)
DIE LIEBENDEN
(Erika und Melitta)
Folge
Kaum wie zu dem Zweiten, wie zum Dritten,
zu dem Liebes-Gott, der kühlt und bannt,
hob sich Deine Stimme zu
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