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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Wege, den ich kaum begann, voran.
So faßt uns das, was wir nicht fassen konnten,
voller Erscheinung, aus der Ferne an –

    und wandelt uns, auch wenn wirs nicht erreichen,
in jenes, das wir, kaum es ahnend, sind;
ein Zeichen weht, erwidernd unserm Zeichen …
Wir aber spüren nur den Gegenwind.

    Götter schreiten vielleicht immer im gleichen Gewähren,
wo unser Himmel beginnt;
wie in Gedanken erreicht unsere schwereren Ähren,
sanft sie wendend, ihr Wind.

    Wer sie zu fühlen vergaß, leistet nicht ganz die Verzichtung:
dennoch haben sie teil.
Schweigsam, einfach und heil legt sich an seine Errichtung
plötzlich ihr anderes Maß.

    ZUM GEDÄCHTNIS AN GÖTZ VON SECKENDORF
UND BER NHARD VON DER MARWITZ/
GESCHRIEBEN FÜR JOACHIM VON WINTERFELDT

    Unangemessen traf der Wink des Geistes
das Herz, das unwillkürlich widerstand.
Aber der starke Geist befahl: du weißt es!
und überwältigte die frühe Hand.

    O das Gehorchen derer, die nicht lange
verweilen unter uns, wie ist es rein.
Sie leihen sich von ihrem Untergange
die kühne Mühe, sich voraus zu sein.

    Nun neige sich Geliebte oder Schwester
über das Grab, wenn es dem Schnee entbräunt,
und fasse, im Gefühl des Frühlings, fester

    den, den es deckt. Doch keiner wie der Freund
begreift zugleich die tiefe Überlebung.
Und seine Trauer schenkt ihn der Erhebung.

    Quellen, sie münden herauf,
beinah zu eilig.
Was treibt aus Gründen herauf,
heiter und heilig?

    Läßt dort im Edelstein
Glanz sich bereiten,
um uns am Wiesenrain
schlicht zu begleiten.

    Wir, was erwidern wir
solcher Gebärde?
Ach, wie zergliedern wir
Wasser und Erde!

    FRÜHLING

    Nicht so sehr der neue Schimmer tats,
daß wir meinen, Frühling mitzuwissen,
als ein Spiel von sanften Schattenrissen
auf der Klärung eines Gartenpfads.

    Schatten eignet uns den Garten an.
Blätterschatten lindert unsern Schrecken,
wenn wir in der Wandlung, die begann,
uns schon vorverwandelter entdecken.

    … .
Wie sich die gestern noch stummen
Räume der Erde vertonen;
nun voller Singen und Summen:
Rufen und Antwort will wohnen.
… … . .

    Wasser berauschen das Land.
Ein atemlos trinkender Frühling
taumelt geblendet ins Grün
und stößt seiner Trunkenheit Atem
aus den Munden der Blust.

    Tagsüber üben die Nachtigalln
ihres Fühlens Entzückung
und ihre Übermacht
über den nüchternen Stern.

    Wir sollen nicht wissen, warum
dieses und jenes uns meistert;
wirkliches Leben ist stumm,
nur, daß es uns begeistert,
macht uns mit ihm vertraut

    FÜR FRAU GERTRUD VON MUMM

    Wer begreift, warum ihn, auserlesen,
ein Geschick, das einst verging, bewegt?
Längst war es verstummt; doch seinem Wesen
scheint es plötzlich dringend eingelegt:

    dies Vergangne, das ihn kaum betrifft.
Unvermutet wird er sein Vermuter – ,
und Verschollnes stürzt sich ausgeruhter
in ein Dasein oder in den Stift.

    Die Blume sein, die sich vom steten Stoße
des arglos raschen Bachs erschüttert fühlt,
der sie nicht meint, wenn seine übergroße
zerstreute Eile an ihr wühlt …

    Nicht anders, ach, ist unser Hingestelltsein
an der Gefühle stürzendes Gebraus;
meinen sie uns denn? … Doch das In-der-Welt-sein
gleicht diesen Überfluß an Zufall aus.

    O wie sehnen wir uns nach den zustimmenden Göttern,
da uns die weigernden hart von uns selber entzweit;
lieben und wissen: der Gott ist ein Gott dieser Liebe,
ihm in den Händen entbrennt dieses unfaßliche Herz.

    Schon bricht das Glück, verhalten viel zu lang,
höher hervor und überfüllt die Wiese;
der Sommer fühlt schon, der sich streckt, der Riese,
im alten Nußbaum seiner Jugend Drang.

    Die leichten Blüten waren bald verstreut,
das ernstre Grün tritt handelnd in die Bäume,
und, rund um sie, wie wölbten sich die Räume,
und wieviel morgen war von heut zu heut.

    Und in der den Bach entlang entzückten Wiese
wird die Pappel wieder zur Gestalt

    Wo wir, bang, tragen am Herzen,
da weilt in den leichteren Göttern
ein ständiger Auftrieb.
Immer, vom Herzen aus,
steigen sie durch sich selbst in die reinere Aussicht
über das dumpfe Gewölk.

    Weißt du noch: fallende Sterne, die
quer wie Pferde durch die Himmel sprangen
über plötzlich hingehaltne Stangen
unsrer Wünsche – hatten wir so viele? –
denn es sprangen Sterne, ungezählt;
fast ein jeder Aufblick war vermählt
mit dem raschen Wagnis ihrer Spiele,
und das Herz empfand sich als ein Ganzes
unter diesen Trümmern ihres Glanzes
und war heil, als überstünd es sie!

    WILDER ROSENBUSCH

    Wie steht er da vor den

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