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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Wasser in dem alten Rande ahmte
dem Hintergrund in Bildnissen nach.

    Es zog mich hin. Sah ich vielleicht davor
die Möglichkeit des sanftesten Ovals?
War es die Hoffnung eines Kaschmirshawls,
die ich ans Blätterspiegelbild verlor?

    Wer weiß es jetzt, da Jugend nicht mehr täuscht?
Wieviele Griffe in das Leere
hat reines Wasser wunderbar verkeuscht
und glänzt noch jetzt herauf, daß es den Traum
vermehre.

    I
    Nichts blieb so schön. Ich war damals zu klein.
Ein Nachmittag. Sie wollten plötzlich tanzen
und rollten rasch den alten Teppich ein.
(Was für ein Schimmer liegt noch auf dem Ganzen.)

    Sie tanzte dann. Man sah nur sie allein.
Und manchesmal verlor man sie sogar,
weil ihr Geruch die Welt geworden war,
in der man unterging. Ich war zu klein.

    Wann aber war ich jemals groß genug,
um solchen Duftes Herr zu sein?
Um aus dem unbeschreiblichen Bezug
herauszufallen wie ein Stein? –

    Nein, dies blieb schön! Ihr blumiger Geruch
in diesem Gartensaal an jenem Tag.
Wie ist er heil. Nie kam ein Widerspruch.

    Wie ist er mein. Unendlicher Ertrag.

    Dies ist Besitz: daß uns vorüberflog
die Möglichkeit des Glücks. Nein, nicht einmal.
Un -Möglichkeit sogar; nur ein Vermuten,
daß dieser Sommer, dieser Gartensaal, –
daß die Musik hinklingender Minuten
unschuldig war, da sie uns rein betrog.

    Du, schon Erwachsene, wie denk ich dein.
Nicht mehr wie einst, als ein bestürztes Kind,
nun, beinah wie ein Gott, in seiner Freude.
Wenn solche Stunden unvergänglich sind,
was dürfte dann das Leben für Gebäude
in uns errichten aus Geruch und Schein.

    Alles ist mir lieb, die Sommersprossen
und die Spange, die den Ärmel schloß;
oh wie unerhört und unverflossen
blieb die Süßigkeit, drin nichts verdroß.

    Taumelnd stand ich, in mir hingerissen
von des eignen Herzens Überfluß,
in den kleinen Fingern, halbzerbissen,
eine Blüte des Konvolvulus. –

    Oh wie will das Leben übersteigern,
was es damals, schon erblüht, beging,
als es von dem eigenen Verweigern
wie von Gartenmauern niederhing.

    Nein, ich vergesse dich nicht,
was ich auch werde,
liebliches zeitiges Licht,
Erstling der Erde.

    Alles, was du versprachst,
hat sie gehalten,
seit du das Herz mir erbrachst
ohne Gewalten.

    Flüchtigste frühste Figur,
die ich gewahrte:
nur weil ich Stärke erfuhr,
rühm ich das Zarte.

    Daß ich die Früchte beschrieb,
kams vielleicht durch dein Bücken
zum Erdbeerbeet;
und wenn keine Blume in mir vergeht,
ist es vielleicht, weil Freude dich trieb,
eine zu pflücken?

    Ich weiß, wie du liefst,
und plötzlich, du Atemlose,
warst du wartend mir zugewandt.

    Ich saß bei dir, da du schliefst;
deine linke Hand
lag wie eine Rose.

    Entging ich je deinem frühen Bereich?
Bist du mir nicht auf allen Wegen
noch immer voraus und überlegen;
wann werden wir gleich?

    Du warst so recht, daß nicht einmal die Mode
an deinem Kleide mich beirrt.
Wie mir dein Flüchten gehört … . . Wird
es hinschwinden in meinem Tode?

    Oder werf ich in die Natur,
als meines Untergangs Widerlegung
deinen Einfluß zurück? die lange Erregung
auf deiner Spur?

    Auch dies ist möglich: zu sagen: Nein.
Und stolz bei den Knaben zu bleiben;
statt eines Mädchens Widerschein
in sich zu übertreiben.

    Sind die Jünglinge später vergleichbar
einer so sanften Gewalt?
Ach, auch der Freund bleibt im Hinterhalt,
rein unerreichbar.

    Übe dich schweigend am Zarten und Harten.
Manche, die dir leise begegnen,
werden dich segnen, wider Erwarten.
Werden dich segnen.

    II
    Wie geschah es? Es gelang zu lieben,
da noch in der Schule nichts gelang!
Das Unendliche bleibt unbeschrieben
zwischen Auf- und Niedergang.

    Heimlich hat es sich in dem vollzogen,
dessen Mund nicht mündig war;
doch das Herz beging den großen Bogen
um das namenlose Liebesjahr.

    Was war Mahlzeit, Schule, Ballspiel, Strafe,
was war Wachen, was war Schlaf?
da in jäh geordneter Oktave
aller Zukunft Klang zusammentraf.

    Oh so war es damals schon genossen,
und das Herz nahm überhand, –
während noch das Leben unentschlossen
um die Knabenspiele stand.

    Damals ward ihm Übermaß gegeben,
damals schon entschied sich sein Gewinn;
ihn zu messen, später, war das Leben, –
ihn zu fassen, reichte hin.

    Denn der Gott, der Partnerin verschwiegen,
fühlte sich in diesem Kinde ganz,
da er in des Knaben Unterliegen
gründete das Überstehn des Manns.

    Einmal kam die Frau, die reiche, reife
die zerstreut den Jüngling unterwies,
wenn er störend, noch mit Knabensteife,
an die blumige Geliebte

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