Die Gedichte
Weibe glühend: »Du,«
er lauscht umher –, »ich muß dir etwas sagen.
Sie kamen einst mich bei Gericht verklagen.
Der Richter rief. Das war ein seltsam Fragen:
Ich hörs noch immer: Bist du Gottes Sohn?
Ich kann nicht mehr begreifen dieses Sinns,
doch damals ließ ich schelten mich und schlagen
und dachte, aufgehetzt durch ihren Hohn,
es muß mein Stolz bis an die Sterne ragen.
Ich schrie sie an: Was wollt ihr? Ja, ich bins.
Zu meines Vaters Rechten ist mein Thron!
Was lachst du, Weib? So spei mir ins Gesicht,
ich weiß es, ich verdiene deinen Spott.
Und meine Reue. Nein, ich bin es nicht,
ich bin kein Gott! … . . «
»Du kannst nicht viel vertragen,
mein Lieber. Welch ein drolliges Gegirr.
Kaum wirbelt noch ein Glas dir aus dem Magen
zu Herz und Hirn, schon sprichst du wahn und wirr. –
Nein, nein, du bist nicht Gott, mach dir nicht Sorgen,
und niemand wird dich so verklagen. Nein.
Doch wart du Blasser, bis zum nächsten Morgen
sollst du ein wenig König sein.
Ja, willst du? Wart, ich werde wenn mirs glückt
aus diesen Rosen dir die Krone schmieden.
Und sind sie nicht mehr frisch, gieb dich zufrieden,
mein hoher Herr, du hast sie selbst zerdrückt . . « –
Und ihre Finger fügen jetzt geschickt
zu krausem Kranze Rose an um Rose,
auch welke Blätter sind hineingestickt.
Sie legt ihn auf das Haupt, das regungslose
aus leeren Augen ihr entgegenblickt,
dann klatscht sie in die Hände, lacht und nickt:
»Bravissimo, die echte Königspose!«
Schon kommt der Morgen nach den Scheiben zielen;
die ersten Speere stecken in den Dielen
hell, wie sie just durchs fahle Fenster fielen.
Und gegenüber schmilzt schon auf dem Dach
die Dämmerung. Da gähnt das Weib sich wach
und steckt das Kleid sich auf, das Gierde jach
ihr von der Schulter riß. Dann denkt sie nach
und friert und gähnt: »Willst du noch König spielen?«
Sie zerrt ihn auf und murmelt: »Toller Tropf,
willst du mit deiner Krone auf dem Kopf
bei Tage heut nach Haus spazieren gehn?«
Er starrt sie an und kann sie nicht verstehn.
Da streift sie ihm mit mürrischem Gebaren
den dürren Herbstkranz aus den schwarzen Haaren.
Er starrt sie an – und weint, wie von der Stirne
die letzte morgenwelke Rose fällt:
»Wir sind der ewge Erbfluch dieser Welt:
Der ewige Wahn ich – du die ewige Dirne. « –
VENEDIG
Die junge Nacht liegt wie ein kühler Duft
auf dem Canal, und grauer nun und greiser
sind die Paläste und die Gondeln leiser,
als führte jede einen toten Kaiser
in seine Gruft.
Und viele fahren, aber eine schwenkt
jetzt scheu und ängstlich in die tiefsten Gassen,
weil tiefste Liebe oder tiefstes Hassen
ihr Steuer lenkt.
Vor einem Marmorhaus mit staubger Zier
drängt sie sich horchend an die Wappenpfähle.
Und lange ruhte keine Gondel hier.
Die Stufen warten. – Fern aus heller Kehle
am Canal grande singt ein Gondolier,
und suchend irrt sein Lied durch die Kanäle.
Der Fremde steht und trinkt den Klang voll Gier,
in lauter Lauschen löst sich seine Seele:
Vorrei morir … .
Der Abend zog vorbei am Erdgeschoß
des Dogenhofs, und die Reflexe rannten
hin wie ein Schwarm von wunden Flagellanten.
Er aber stand so einsam ernst und groß
am Fuß der stolzen Treppe der Giganten,
und seiner Blicke dunkle Bogen spannten
sich nach dem Fenster, dessen Flächen brannten:
sie heißen es das Fenster Pellico’s.
Er nickte leise, so als stände jener
noch dort, der einst in ewig öder Haft
ergeben wie ein echter Nazarener
verzichtete auf Zorn und Kampf und Kraft.
Vielleicht giebt er den Gruß zurück und rafft
des Vorhangs Falten. Wenn noch seinen Namen
Verliebte, 〈die〉 des Wegs vorüberkamen,
zusammenträumen mit den Sündendramen,
erschien er hoch im heißen Fensterrahmen,
er lächelte das Lächeln einer zahmen
in Fesseln müd gewordnen Leidenschaft. –
Und jener unten lächelte es mit.
Dann stieg er stufenan mit scheuem Schritt
und stand oft still, im vollen Abendscheine,
drin die Arkaden, wie versteinte Haine,
zu harren schienen, daß er sie durchweine,
so traurig war er; denn es war der Eine,
der immer dankte, wenn er sprach: ich litt.
Sein Haupt war schwer, und schweren Fußes ging
er in die leeren Marmorbogengänge,
an denen wie vergessenes Gepränge
der rote, raschverwelkte Abend hing.
Ihn fröstelte, und hastig ward sein Schreiten,
das bang erklang im hallend langen Gang.
Vor seiner eignen Lehre war ihm bang:
vor jener Lehre der Vergänglichkeiten.
Sie wuchs um ihn in säulenstarrem Hohne:
so wächst der Zorn dem rachegieren Sohne,
der aus des
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