Die Gedichte
〈den〉 Boden pfahlen,
dort muß ich hin auf blutigen Sandalen
und bin der Sklave meiner alten Qualen,
mir wachsen Nägel aus den Wundenmalen,
und die Minuten pressen mich ans Kreuz.
So leb ich, ewig sterbend, meines Heuts
maßlose Reue. Krank und lang entkräftet,
da in der Kirche Kälte festgeheftet,
dort in dem Prunk profaner Jahrmarktsbuden;
ohnmächtig heut und doch gebetumschmachtet,
ohnmächtig morgen und dabei verachtet,
ohnmächtig ewig in der Sonnenhelle
des Kreuzwegs wie im Frieren der Kapelle.
So treib ich wie ein welkes Blatt umher.
Kennst du die Sage von dem Ewigen Juden?
Ich selbst bin jener alte Ahasver,
der täglich stirbt um täglich neu zu leben;
mein Sehnen ist ein mächtig-weites Meer,
ich kann ihm Marken nicht noch Morgen geben.
Das ist die Rache derer, die verdarben
an meinem Wort. Die opfernd für mich starben,
sie drängen hinter mir in weiten Reihn.
Horch! Ihre Schritte! – Horch! Ihr kreischend Schrein … .
Doch eine große Rache nenn ich mein:
Ich weiß, bei jedem neuen Herbste warben
die Menschen um den Saft, den feuerfarben
die roten Reben ihrer Freude leihn.
Mein Blut fließt ewig aus den Nagelnarben,
und alle glauben es: mein Blut ist Wein,
und trinken Gift und Glut in sich hinein …
Mich hielt das fürchterliche Prophezein
in bangem Bann. Aus hilfloser Hypnose
riß mich die Menge, die vorüberschwamm.
Ein Schwarm trat ein und fand sich mit Getose
bei jener ersten Gruppe just zusamm,
und vor mir hing der gelbe regungslose
Gekreuzigte in wächsner Jahrmarktspose
an seinem Stamm.
DIE NACHT
Nach Mitternacht ists. Dunkle Stunden gängeln
die Letzten heimwärts längs der Häuserreih. –
Nur im verrauchten Saale ›Zu den Engeln‹
auf dem verschoßnen Samtsitz lehnen Zwei.
Er und ein Weib. Und gelbe Kellner bengeln
müd, mürrisch mahnend an dem Tisch vorbei.
Ein Piccolo hockt an des Saales Ende
auf steilem Stuhle ganz von Schlaf verschneit.
Nur da und dort glühn trübe Lampenbrände,
in Rauch und Dämmer lösen sich die Wände,
und langsam durch die Wanduhr tropft die Zeit. –
Das Weib neigt sich zu dem Gefährten. Weit
giert aus dem wellengrellen Seidenkleid
die Sinnenhast der ewig kalten Hände:
»Was bist du denn so traurig fort, du, Blasser?
Ich glaube gar du bist ein Menschenhasser?
Schau, – ich bin schön und wir sind ganz allein …
Die Schönheit! Prosit! Aber – du, – mit Wasser? . . «
Und sie erweckt ein Echo: »Kellner, Wein!«
»Nein, du, ich will nicht trinken«, wehrt er ernst.
»Geh, Lieber, spare deine weisen Worte.
Willst du auch jetzt noch nicht? Schau her: die Sorte
Champagner! Schau! Ich wette daß du’s lernst.
Bist du kein Freund von solchen Bacchanalen?
Schau dieses Perlenkämpfen, wie das schäumt,
schau dieses Perlendämpfen, wie sichs bäumt:
Das ist der Weihrauch unsrer Kathedralen,
der prickelnd sickert aus opalnen Schalen!
Trink jetzt! Die Liebe lebe! . . Ausgeträumt! – «
Und sie schlürft tief das Schaumgold des Pokals
und läßt ihn, leer, im roten Schimmer blinken,
und löst dann leise mit der weißen Linken
die schweren Falten ihres Schultershawls.
Und wie wenn sacht des Meeres Wellen sinken
und aus der Flut im Glanz des Mainachtstrahls
die Inseln tauchen mit den Silberzinken,
so schimmert jetzt im Wogenqualm des Saals
ihr Marmorhals. Und ihre Hände winken
dem blassen Nachbar, suchend sehnsuchtleis.
»Komm!« lispelt sie »und willst du ewig säumen?«
Sie neigt sich näher und ihr Wort ist heiß:
»Noch bist du jung! Komm, sei kein Tor! ich weiß
was Beßres, als das Leben dumpf verträumen:
das Leben leben! Nimm dir deinen Preis. «
Da packt es ihn, den neidlos, freudlos Kalten,
und ganz im Bann verhaltener Gewalten
wird alle Kraft in seiner Seele frei.
Er faßt das Weib mit einem wilden Schrei
und seine Finger krallt er in die Falten,
und gleißend reißt das Seidenkleid entzwei.
Die irren Hände wuchten schwer wie Blei,
als wollt er aus dem Leib sich neu gestalten
ein Götterbild, das seiner würdig sei.
Um ihre Glieder brandet Raserei.
So stürmt der Sturzbach, den das Eis gehalten,
aus seiner dumpfen Dämmerschlucht herbei
und springt und ringt und greift in alle Spalten
und seine Liebe tötet fast den Mai.
Mit wildem Griff zerrt er den Vorhang zu,
und in der Luft sind nur die süßen Klagen,
die wie ein Jubel klingen aus den Tagen,
da keiner noch in schämigem Getu
der Glieder Kraft in Fetzen eingeschlagen,
und jeder Wunsch war damals noch ein Wagen. –
Da fährt der blasse Mann aus schlaffer Ruh
und raunt dem müden
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