Die gefährliche Zeugin verschwindet
ein
lohnendes Geschäft. Dass wir Lösegeld brauchen, darf niemand erfahren.“
Annas Augen leuchteten. Jetzt
sah sie wieder aus wie Anfang dreißig.
Hm!, dachte Becker. So wird man
also gezwungen vom Schicksal. Eigentlich wollte ich ja noch warten... ein
bisschen. Lothars Ableben sollte erst später stattfinden. Damit endlich alles
mir gehört. Die Firma. Der Gewinn. Und unser heimliches Schwarzgeld im Ausland.
Lothars Ableben — ja! Eigentlich ist alles schön vorbereitet. Die Polizei wird
nach dem großen Unbekannten suchen. Dass ich der Nutznießer bin von allem, was
Lothar Henrich gehört — tja, so ist das nun mal, wenn man sich gegenseitig als
Erben einsetzt, weil wir beide keine Familie haben. Anna wird niederknien vor
mir als Dank für die Hilfe. Zurückzahlen kann sie nie. Und damit fällt mir
diese Drei-Millionen-Hütte in den Schoß. Für ein Drittel ihres Wertes. Super!
„Woran denkst du?“, fragte
Anna.
„Ich denke nach über die
Schlechtigkeit gewisser Menschen. Wie kann man das tun: Eine Frau entführen, brutal
mit ihrer Verstümmelung drohen und Lösegeld verlangen?!“
Anna nickte und strich einen
Teil ihrer Mähne nach hinten.
„Ich kann das nicht
nachvollziehen, Norbert. Aber ich bin dir unendlich dankbar für deine Hilfe.“
Morgen früh, dachte Becker,
stirbt Lothar. Morgen früh bei der Jagd. Seltsam, wie mich das mit Vorfreude
erfüllt. Bin eben doch ein ganz harter Bursche — ein Geschäftsmann mit
Ellbogen. Werde nachher noch ein Bier trinken, damit ich gut schlafe.
14. Heißer
Draht zur Presse
Auch Tim besaß seit kurzem ein
Handy, hatte sich als Letzter in der Gruppe zu dieser Anschaffung entschlossen.
Leider musste er jetzt feststellen — sein Gerät war nicht aufgeladen, ohne
Strom, und so tot wie eine leere Sardinenbüchse.
„Kein Saft in der Pfanne?“,
fragte Klößchen. „Dann nimm meins.“
Er überreichte sein Handy, an
dem ein paar Schoko-Krümel klebten. TKKG hatten sich aus der
Doppelhaus-Wohnallee, der Olaf-Dreifrucht-Straße, zurückgezogen, befanden sich
wieder in Sichtnähe des Gott-hilf-mir-Krankenhauses und postierten sich jetzt
in einer winzigen Grünanlage, die aus zwölf Quadratmeter Rasen, drei Büschen
und einer kränkelnden Schirmulme bestand. Außerdem hatten die Stadtgärtner eine
abschirmende Holzwand errichtet. Hinter der — aber gut zugänglich — standen
fünf Abfallbehälter: für Altpapier, Dosenschrott, Weiß-, Grün- und Braunglas.
Auf einem Schild waren die Betriebszeiten geregelt. Einwurfzeit nur bis 19 Uhr.
Jetzt war’s, wie Tim mit Blick auf
die Armbanduhr feststellte, kurz vor halb acht. Das galt offenbar nicht für den
Opa, der soeben mit einer Karre voller Leerflaschen heran gekeucht war. Eine
nach der andern schmetterte er in den Behälter für Weißglas: Ausschließlich
Weinflaschen, die entweder grün oder braun waren.
TKKG sahen ihm zu. Nicht ohne
vorwurfsvolle Blicke. Auch das störte ihn nicht.
„Wahrscheinlich ist er
farbenblind“, mutmaßte Klößchen. „Sollen wir ihm helfen?“
Aber das war nicht mehr
erforderlich, denn eben zerbarst die letzte Flasche. Dann entsorgte der Opa
noch rasch seine Joghurtbecher im Altpapier, bevor er eilig davon latschte.
„Sie haben ihren Müllwagen
vergessen“, rief Karl.
Der alte Mann griff sich an den
Kopf, dankte mit freundlichem Grinsen und schob ab mit seiner Karre.
Tim rief die Auskunft an und
besorgte sich Victor Kalenskys Rufnummer. Dann wurde es spannend. Damit keinem
ein Wort entging, steckten sie die Köpfe zusammen.
Dreimaliges Läuten.
„Kalensky.“
„Ja, hallo! Das klingt ja, als
ginge es dir gut.“
„Was? Wer ist dort?“
„Einer, den du nicht kennst.
Aber wir werden uns kennen lernen. Dann freilich ist es für dich zu spät.“
„He! Ich... verstehe nicht.“
„Du verstehst sehr gut, Mann!
Beim BBP-Supermarkt ist es schief gegangen. Aber es gibt ja noch viele, viele,
viele Gelegenheiten, dir das Licht auszumachen.“
„Mann, wer sind Sie?“
„Ich gehöre zu jenen, mit denen
du Ärger hast. Namen verkneife ich mir am Telefon, da doch jetzt die große
Abhörwelle rollt. Die Bullen dürfen nach dem neuen Gesetz Telefongesülze
belauschen, als gehörten sie zur Familie. Aber so was läuft nicht unter dem
Label ( Etikett ) Polizeistaat, sondern wird gemacht zum Erhalt der
Demokratie. Also keine Namen und Besonderheiten. Man kann nie wissen, wer uns
sein Ohr leiht.“
„Ich... habe keine Ahnung wovon
Sie reden und ich weiß nicht, was Sie
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