Die gefährliche Zeugin verschwindet
ausspionieren. Nein,
das bringt nichts. Ich sehe zwei Möglichkeiten: eine mühsame und eine
sinnvolle.“
„Die mühsame“, sagte Klößchen,
„vergessen wir mal gleich — egal, was es ist.“
„Es wäre Observierung,
Beschattung“, erklärte Tim. „Ihn und seine Hütte so lange bewachen, bis die
Pistoleros antanzen. Wahrscheinlich kommt nur einer. Den könnten wir uns
greifen und nach Irmas Verbleib fragen, nachdrücklich.“
„Kann lange dauern, bis der
Mörder kommt“, sagte Gaby, „falls überhaupt. Und was ist dir sonst noch
eingefallen?“
„Wir bluffen Kalensky.“
„Wie das?“
„Mit ‘nem Anruf. Ich behaupte,
ich gehöre zum Pistolero-Team meinetwegen als die Nummer drei im Hintergrund.
Ich drohe wüst. Wenn Kalensky darauf eingeht, haben wir ihn am Haken und können
das Gespräch Auge in Auge verschärft fortsetzen.“
„Ein falscher Zungenschlag“,
meinte Karl, „und der Kerl durchschaut dich. Du müsstest sehr allgemein reden —
denn wir wissen ja nicht, was sich wirklich abgespielt hat zwischen Kalensky
und den Bankräubern.“
Tim nickte. „Das ist der Knackpunkt.
Trotzdem sollten wir’s versuchen.“
Sie beobachteten, wie ein
dunkler Mercedes die Straße entlang fuhr. Er hielt vor dem K ASSANDRA-INSTITUT.
Der Fahrer blieb sitzen. Offenbar vergewisserte er sich, dass er nicht
beobachtet wurde. Schließlich stieg er aus — ein dicker Glatzkopf von Mitte
fünfzig.
„Nanu!“, meinte Karl. „Das ist
ja der Stadtrat Bachhuber.“
Tim grinste. „Über den kann ich
euch was erzählen. Über ihn und seine Seelenbraut.“
13.
Partygirl und Baulöwe
Anna Bolgakow-Feuchtweg war 44
— und dafür schämte sie sich beinahe. Denn ein echtes Partygirl, eine
Schickimicki-Pflanze wird nie älter als höchstens 32 — auch wenn sie aufgrund
ihrer Geburtsurkunde längst 60 ist. Für jemanden, der sich Oberflächlichkeit
zum Lebensinhalt erkoren hat, ist das älter werden eine Schande, ein Unglück.
Ewige Jugend und ewige Schönheit sind ein Muss — denn wozu gibt es
Schönheitsoperationen und fragwürdige Medikamente. Anna hatte sich schon
viermal unters Messer des Chirurgen gelegt — deshalb sah ihr Gesicht jünger aus
als das ihrer Schwester Irma. Und die, die Kommissarin, war nun wirklich von
unverbrauchter Frische und erst 34.
Im Typ glichen sie sich. Beide
waren schlank und dunkelhaarig. Allerdings hatte sich Anna eine hüftlange
Knistermähne wachsen lassen, die sie allein nicht waschen konnte. Aber
schließlich gibt’s ja nicht nur Schönheitschirurgen, sondern auch Frisöre — die
fast genau so teuer sind; arbeiten sie doch auch für die Schönheit.
Mit ihrem ersten Ehemann — der
Bolgakow hieß — war Anna vier Jahre verheiratet gewesen. Ein Geschäftsmann. Er
hatte Kaviar importiert. Und wahrscheinlich auch Drogen. Anna hatte nie
gefragt. Sie bekam viel Geld bei der Scheidung. Zwei Monate danach kam Bolgakow
unter mysteriösen Umständen in Istanbul ums Leben. Dort wurde er auch begraben.
Anna schickte einen Kranz, erwies ihrem Ex aber nicht die letzte Ehre, nahm
nicht am Begräbnis teil. Sie war ja längst mit Egon Feuchtweg verhandelt, einem
um fünf Jahre jüngeren Schauspieler.
Feuchtweg sah sehr gut aus,
trug immer weiße Seidenhemden und konnte hervorragende Cocktails mixen. Als
Schauspieler war er eine Niete. Nur zweimal stand er für längere Zeit auf der
Bühne. Zunächst bei einer Theater-Tournee durch Provinzstädte mit der Komödie
,Ein Goldfisch liegt im Kuckucksnest’. Feuchtweg spielte eine Nebenrolle und
wurde nur selten in der örtlichen Presse erwähnt. Seine zweite Bühnenerfahrung
machte er mit dem Drama ,Familien-Wahnsinn’. Das Stück wurde im Thomas-Theater
gegeben, in das ja nur 108 Besucher reinpassen. Feuchtweg spielte einen
taubstummen Jüngling, der bettlägerig ist und erst mit 20 lesen lernt. Nach der
elften Vorstellung wurde das Stück abgesetzt. Von seiner Kunst konnte Feuchtweg
also nicht leben, aber er hatte viel Geld von einer verstorbenen Tante geerbt.
Als er sich vor zwei Jahren aus Versehen mit einem Cocktail vergiftete — er
hatte Rattengift statt Zucker genommen und vielleicht war’s auch Selbstmord —
hinterließ er Anna noch ein Stück Reichtum.
Indes — Irmas Schwester konnte
Geld nicht halten. Sie war zu naiv und zu gutmütig. So genannten Freunden aus
der Szene lieh sie beträchtliche Summen — Geld, das sie nie wieder sah. Über
Annas Partys und Feste wurde in der Boulevard-Presse berichtet wie
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