Die gefährliche Zeugin verschwindet
Handy-Nummer.“
„Das ist abgeschaltet. Immer.
Sonst dreht er durch.“
„Wie zum Teufel kann ich euren
Szene-Schleicher erreichen?“
„Vor heute Nacht um drei
überhaupt nicht.“
„Spinnst du?“
„Ist nun mal so. Ich weiß,
kleine Jungs schlafen dann schon. Aber Gernot kommt um drei Uhr früh hier in
seine Redaktionsbude, klemmt sich an den Schreibcomputer und verfasst bis vier
Uhr seine albernen Artikel. Dann ab nach Hause und er liegt auf dem Ohr bis mittags.
Aber erreichen kannst du ihn erst gegen 17 Uhr. Der Mann muss ja auch mal
relaxen (entspannen).“
„Macht er das freiwillig?“
„Er liebt seinen Job.“
„Wenn ich ihn im Morgengrauen
zwischen drei und vier anrufe — wünscht er mich dann zum Teufel?“
„Nicht, wenn ich ihm einen
Zettel auf den Schreibtisch lege.“
„Darum bitte ich dich.“
„Schon erledigt.“
„In welchem Zustand, Achim, ist
er um drei Uhr: volltrunken oder ansprechbar?“
„Gernot trinkt keinen Alkohol.
Sonst wäre er schon hin.“
„Sympathisch! Vermerk bitte auf
dem Zettel, dass auch TKKG nichts davon halten, sich die Birne blöd zu ballern.
Vielleicht stimmt ihn das auskunftsfreudig. Denn wir sind ja im selben Club.“
„Okay, Nervensäge. Grüß deine
Freunde. Vor allem Gaby. Ich liebe sie.“
„Aber sie liebt nur mich,
Armleuchter. Tschüs.“
Gaby, Karl und Klößchen hatten
das meiste mitbekommen.
„O Mann!“, stöhnte Klößchen.
„Du wirst also den Wecker auf drei Uhr stellen und dann diesen Szene-Schleicher
anrufen. Ohne Rücksicht darauf, dass ich als dein Budenkamerad heftigst gestört
werde, da ich doch zwischen drei und vier Uhr morgens eine Tiefschlafphase
habe. Wenn man die unterbricht, kann aus dem Betroffenen ein Schulversager
werden, Bettnässer oder Ladendieb. Das habe ich gelesen. Also, Tim, sprich
gefälligst leise heute Nacht. Am besten, du telefonierst unter der Bettdecke.“
„Du verstopfst dir die Ohren“,
erwiderte Tim. „Das genügt. Bis morgen Nachmittag können wir jedenfalls nicht warten.
Erstens wäre das zu spät, zweitens hätte es sich vielleicht erübrigt — weil
Anna dann längst wieder hier ist. Aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Morgen
ist Samstag —und wir sind ganz früh schon am Ball. Mit Anna müssen wir reden,
bevor sie irgendwas unternimmt.“
„Morgen haben die Banken
geschlossen“, sagte Karl. „Falls es tatsächlich um Lösegeld geht — kann sie’s
nicht abheben.“
Tim nickte. „Das — nämlich das
Wochenende — ist unsere Chance.“
15.
Eingekerkert
Aus der Dunkelheit — nein,
Finsternis — kroch Kälte heran, kroch auf sie zu; und die beiden Decken nutzten
nicht viel.
Irma kauerte in einer Ecke des
Bunkers, roch den Unrat, der hier überall lag, hatte die beiden Wolldecken um
sich geschlungen und zitterte. Ein kaum hörbares Rascheln und Krabbeln war in
dem kahlen Betonraum. Käfer, Asseln, Spinnen — sie wusste nicht, was sich da
bewegte. Aber ihr grauste davor.
Bert und Hajo hatten sie
eingekerkert. Der Bunker war stabil — ebenso die kleine, fest verriegelte
Eingangstür. Die alte militärische Anlage hätte vermutlich einem atomaren
Angriff getrotzt. Nein, nicht ganz. Denn es gab Sehschlitze in den
halbmeter-dicken Betonwänden. Diese Scharten waren schmal, draußen zum Teil von
Erde und wuchernden Pflanzen bedeckt — aber sie ließen so viel Frischluft
herein, dass Irma nicht erstickte.
Eine mondlose Nacht. Es ging
auf 23 Uhr. Irma hörte die Geräusche des Waldes. Flügelschlag. Ein Käuzchen
schrie. Ein Tier zog vorbei — mit harten Hufen auf dem verseuchten Boden.
Vermutlich ein Reh. Später hörte sie das Grunzen von Sauen. Eine Rotte
Schwarzwild suhlte sich im Schlamm. Dann war Stille. Und diese Stille lärmte in
Irmas Ohren wie Paukenschläge.
Die Pistoleros hatten sie
versorgt. Irgendwo vor Irma stand ein Korb mit zwei Brotlaiben, einem Bündel
Bananen, einer Hartwurst und Papierservietten. Auch an einen Kasten
Mineralwasser hatten die Verbrecher gedacht — hatten außerdem einen Metalleimer
in die Ecke gestellt und Papierrollen, vierlagig, daneben gelegt.
Ein Päckchen mit Streichhölzern
war dabei. Irma hatte es in die Tasche ihres Mantels gesteckt. Fünf
Streichhölzer waren schon verbraucht. Weil sie Panik gekriegt hatte in der
Finsternis. Jetzt war Beherrschung angesagt. Irma wusste nicht, wie lange sie
hier ausharren musste. Zwei Nächte, drei oder mehr? Also sparsam umgehen mit
den Zündhölzern. In ein paar Stunden wurde es ohnehin
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