Die gefährliche Zeugin verschwindet
nicht machbar. Die Banken
schließen um 16 Uhr — und dass Anna zu Hause ständig eine Lösegeldsumme
bunkert, kommt wohl nicht in Betracht.“
„Vielleicht ist sie auf ‘ner
Party“, sagte Klößchen. „Oder sie übernachtet bei ihrem Macker.“
„Gutes Stichwort.“ Tim wandte
sich an Gaby. „Weißt du was über Annas Beziehungskisten?“
Er hatte mit Verneinung
gerechnet, aber seine Freundin nickte heftig. „Irma hat mich ins Vertrauen
gezogen. Sie ist nämlich traurig. Weil Anna mit ihren Typen meistens total
daneben greift. Jetzt ist sie mit so einem Baulöwen zusammen — den Namen weiß
ich nicht. Irma hält ihn für skrupellos und zwielichtig. Er bewege sich am
Rande der Legalität ( Gesetzlichkeit ).“
„Den Namen müssten wir wissen,
Pfote. Dann könnten wir dort anrufen.“
Gaby zuckte die Achseln. „Ich
glaube nicht, dass irgendwer im Präsidium was weiß. Irma hat ja nur männliche
Kollegen. Aber sie ist die Art Frau, die sich bei so intimen Themen nur Frauen
mitteilt.“
Nur Frauen. Aha! Tim
unterdrückte ein Grinsen.
Aber Gaby bemerkte es. „Oder
einer sehr jungen Freundin“, blitzte sie ihn an, „falls die so vertrauenswürdig
ist wie ich.“
„Klar doch.“
„Da gibt’s nichts zu grinsen.“
„Ich habe nicht gegrinst.“
„Doch, du wolltest. Innerlich
war’s schon fertig.“ Schuldbewusst küsste Tim seine Freundin auf die Stirn,
genau genommen auf die Ponyfransen. Deren feiner Shampoo-Geschmack löste — mag
der Himmel wissen, wieso — eine Idee aus.
„Das kriegen wir raus!“, rief
er — und hatte noch beide Arme um Gaby gelegt.
Sie fuhr zurück. „Weshalb
schreist du mir so ins Ohr?“
„Entschuldige! Aber mir fällt
ein, dass ich doch erstklassige Beziehungen zur Presse habe, nämlich zu Joachim
Juha — Juhu genannt. Ja, über ihn erfahren wir, mit wem Anna Händchen hält.“
Seine Freunde kannten Juhu.
„Aber Juhu ist Sportreporter“,
gab Karl zu bedenken. „Die Schickimicki-Szene hat mit Sport nichts am Hut.
Höchstens, dass sie bei Galopprennen oder Golfturnieren auf den teuren Plätzen
sitzt.“
„Juhu hat doch Kollegen“, hielt
Tim dagegen. „Bei der Boulevardpresse ist der Gesellschaftsreporter so wichtig
wie der Guru für die Sekte. Diese Schlüssellochgucker wissen, wer mit wem...
Händchen hält.“
Klößchen holte schon sein Handy
hervor. Tim hatte Juhus Rufnummer im Kopf — und auf Anhieb Glück. Juhu meldete
sich. Wie üblich frotzelten sich die beiden ein paar Augenblicke, dann trug Tim
sein Anliegen vor — begehrte Infos über Anna Bolgakow-Feuchtwegs Privatleben.
„Ist das nicht dieses
angeschimmelte Ex-Partygirl“, meinte Juhu respektlos. „Tut mir Leid, Tim. Über
die weiß ich nichts. Vermutlich kann sie weder Sumo-Ringen noch
Fallschirmspringen. Ist nicht mein Revier. Aber bestimmt kann dir der Kollege
Hohlmann-Schrinkl dienlich sein.“
„Euer Gesellschaftsreporter?“
„Unser Szene-Schleicher. Gernot
Hohlmann-Schrinkl. Er schreibt unter dem Pseudonym Gero Guest. Guest heißt Gast
— und das ist er ja auch in der Szene.“
„Ist das Englisch?“, fragte Tim
spöttisch.
„Blödmann!“
„Statt mich zu beschimpfen,
könntest du mich bitte sofort und auf der Stelle zu ihm durchstellen, verbunden
mit einer zu Herzen gehenden Empfehlung, damit der Szene-Schleicher schnallt,
dass er mir helfen muss.“
„Geht leider nicht, du
Nervensäge. Gernot ist längst unterwegs. Jeden Abend klappert er die Partys und
Feten ab. Teils sind das private Feste — natürlich von Promis veranstaltet — ,
teils öffentliche Partys in In-Kneipen und Szene-Tempeln. Die meisten, die sich
dort rumtreiben, haben noch nie was vollbracht, aber sie sind immer dabei,
haben Geld und sehen ihren Namen — oder gar ihr Foto — wahnsinnig gern in der
Zeitung. Dafür würden sie ihre Seele hergeben, hätten sie eine. Da diese Leute
unsere Zeitung kaufen, sich für wichtig halten, sogar Inserate in unserem Blatt
platzieren — muss Gernot über sie schreiben: Über den Tango-Django Edu
Scheiblich — privat Chef einer Kanalreinigungs-Firma — und seine wunderschöne
Begleiterin Salome Plöckl, die schon zum vierten Mal nicht die Miss Germany
geworden ist. Oder über Herkules Schnarchmeier, den Betreiber unseres größten
Fitness-Studios, wo die Modellathleten garantiert ohne Anabolika (Muskel
bildende Präparate mit verheerenden Nebenwirkungen) herangebildet werden -
sagt man.“
„Harter Job. Armer Gernot. Gib
mir seine
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