Die Gefährtin Des Lichts erbin2
das Messer mit nach Hause und benutzte es am selben Abend. Am nächsten Tag kehrte sie mit blutverschmierten Händen und Kleidern zu dem Bright Lord zurück. Zum ersten Mal in ihrem kurzen Leben war sie glücklich. »Ich werde dich auf ewig lieben«, verkündete sie. Das war einer der wenigen Momente, in denen Er vom Willen der Sterblichen beeindruckt war.
So stelle ich es mir vor.
Das Kind war natürlich verrückt. Dennoch leuchtet es mir ein, dass dies — und nicht reine religiöse Hingabe — dem Bright Lord imponierte. Ihre Liebe war bedingungslos, und ihre Absichten waren nicht durch so belanglose Erwägungen wie Gewissen oder Zweifel verwässert. Es sieht Ihm ähnlich, glaube ich, diese Reinheit zu schätzen. Dennoch, so wie bei Wärme und Licht, ist ein Zuviel niemals gut.
Ich erwachte eine Stunde vor Sonnenaufgang. Sofort ging ich zur Tür, um nach meinen Entführern zu horchen. Ich hörte, wie Menschen sich in den Gängen jenseits meiner Tür bewegten. Manchmal erhaschte ich sogar Fetzen des textlosen, beruhigenden Lieds der Lichter. Weitere Morgenrituale. Wenn sie dem Muster der letzten Tage folgten, hatte ich etwa eine Stunde — vielleicht auch mehr —, bevor sie kamen.
Schnell machte ich mich an die Arbeit und schob den Tisch so leise ich konnte zur Seite. Ich hätte es vorgezogen, während der Nacht tätig zu werden, weil die Lichter mich dann nicht störten. Aber ich brauchte Kraft, um meine Magie einzusetzen. Sonst traten die Schmerzen in meinen Augen zu früh auf und machten meine Konzentration zunichte. Wenn die Lichter die Absicht hatten, mich mit ihren Arbeitsschichten am Tag und dem Aderlass bei Nacht zu ermüden, war meine einzige Chance, meine Magie am Morgen dazwischen einzusetzen.
Ich rollte den kleinen Teppich zur Seite, um den Holzboden freizumachen, den ich sorgfältig untersuchte. Er war mit Sand glattgerieben, leicht versiegelt und staubig. Er fühlte sich nicht im Geringsten wie Leinwand an.
Das hatten die Ziegel an der Südpromenade allerdings auch nicht getan, als ich die Ordensbewahrer tötete.
Mit hämmerndem Herzen durchquerte ich das Zimmer. Dabei sammelte ich alle Gegenstände ein, die ich als möglicherweise nützlich markiert oder versteckt hatte. Ein Stück Käse und eine Namipaprika, die von einer Mahlzeit stammte. Geschmolzene Wachsstücke der Kerzen. Ein Stück Seife. Es gab nichts, das sich wie die Farbe schwarz anfühlte oder roch. Das war frustrierend. Ich hatte das Gefühl, dass ich Schwarz brauchte.
Ich kniete mich auf den Boden, hob den Käse auf und atmete tief ein.
Kitr und Paitya hatten meine Zeichnung als Türe bezeichnet, die einen Weg öffnete, um von dem Ort, an dem ich mich befand, zu der Welt, die meine Zeichnung darstellte, zu reisen. Wenn ich einen Ort malte, den es wirklich gab, und diese Tür wieder öffnete, wäre ich dann in der Lage, dorthin zu reisen? Oder endete ich wie die Ordensbewahrer, die an zwei Orten gleichzeitig tot waren?
Unwirsch schüttelte ich den Kopf und ärgerte mich über meine Selbstzweifel.
Vorsichtig und ungeschickt zeichnete ich die Künsterzeile. Der Käse fungierte eher als Textur, denn als Farbe, weil er sich rau anfühlte. So rau, wie das Kopfsteinpflaster, über das ich die letzten zehn Jahre gegangen war. Ich sehnte mich danach, die einzelnen Steine schwarz zu umrahmen, zwang mich aber dazu, ohne auszukommen. Das Kerzenwachs war als Erstes aufgebraucht. Es war zu weich. Dennoch schaffte ich es, mit dem Wachs und der Seife die Andeutung eines Tischs zu malen und dahinter noch einen. Als Nächstes war die Paprika verbraucht. Ihr Saft brannte an meinen Fingern, während ich sie vollkommen zerrieb, um damit den Baum im Hintergrund darzustellen. Für die richtige Färbung der Kopfsteine benutzte ich meinen Speichel und mein Blut, damit der Käse möglichst lang hielt. Um an mein Blut zu gelangen, musste ich die Kruste abkratzen, die der Schnitt des Aderlasses am Abend vorher hinterlassen hatte. Zu schade, dass ich nicht menstruierte.
Schließlich aber zerbröselte der Käse zwischen meinen Fin- gern.
Als ich fertig war, lehnte ich mich zurück, um mein Werk zu begutachten. Ich zog eine Grimasse, weil ich erst jetzt den Schmerz im Rücken, den Schultern und den Knien bemerkte. Es war eine einfache, kleine Zeichnung, die kaum größer als zwei Handflächen war. Ich hatte nicht genug »Farbe« für mehr gehabt. Sie mutete sicherlich impressionistischer an, als es meine Absicht gewesen war. Aber ich hatte solche
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