Die Gefährtin Des Lichts erbin2
Ich hatte es nur nicht beachtet. Er stand schon eine ganze Weile im Zimmer und beobachtete mich.
Er kam herüber, nahm meine Hand und half mir aufzustehen. Sobald es möglich war, zog ich meine Hand wieder zurück. Bestürzt stellte ich fest, dass die Zeichnung hinter ihm nicht nur aufgehört hatte, die Wirklichkeit zu zeigen — sie war gar nicht mehr zu sehen. Ihre Magie war vergangen.
»Es bedarf großer Konzentration, Magie auf kontrollierte Weise einzusetzen«, sagte er. »Es ist beeindruckend, wenn man bedenkt, dass Ihr keine Ausbildung hattet. Ihr habt das allein mit Nahrungsmitteln und Kerzenwachs fertiggebracht. Selbstverständlich müssen wir Euch von jetzt ab beim Essen beobachten und Euer Zimmer regelmäßig nach allem, was Pigmente enthält, durchsuchen.«
Verdammt! Ich konnte mich nicht beherrschen und ballte meine Fäuste. »Warum seid Ihr hier?«, fragte ich. Ich brachte das wesentlich kampflustiger hervor, als gut war, aber ich konnte nichts dagegen tun. Ich war zu wütend über die vertane Chance.
»Die Ironie des Schicksals will es, dass ich kam, um Euch um eine Vorführung Eurer magischen Fähigkeiten zu bitten. Ich bin immer noch Schreiber, auch wenn ich den Orden verlassen habe. Einzigartige Manifestationen ererbter Magie waren mein Hauptforschungsgebiet.« Er setzte sich, offensichtlich unbeeindruckt von meiner Wut, in einen der Sessel. »Ich sollte allerdings anmerken, dass Eure Anstrengungen, durch das Portal zu fliehen, letztendlich vergebens gewesen wären. Das Haus der Aufgegangenen Sonne ist umgeben von einem magischen Schutzschild, der fremde Magie weder herein- noch hinauslässt. Ich habe ihn selbst erschaffen. Er verbirgt unsere Aktivitäten vor durchreisenden Gottkindern und anderen.« Er klopfte mit dem Fuß auf den Holzboden. »Hättet Ihr versucht, das Portal zu durchschreiten ... nun, ich bin nicht sicher, was genau geschehen wäre. Aber Ihr oder Eure Überreste wären nicht weit gekommen.«
Zerfetzte Eingeweide; kreischende Stimmen ... Mir wurde schlecht, und ich fühlte mich geschlagen. »Es war ohnehin nicht groß genug, um hindurchzugehen«, murmelte ich und ließ mich aufs Bett fallen.
»Das ist wahr. Mit ein wenig mehr Übung — und mehr Farbe — wärt Ihr aber zweifellos in der Lage, diese Portale zu durchschreiten.«
Das erregte meine Aufmerksamkeit. »Wie bitte?«
»Eure Magie ist meiner sehr ähnlich«, sagte er. Unwillkürlich fielen mir die Löcher wieder ein, die er benutzt hatte, um mich, Madding und die anderen einzufangen. »Beide sind Abwandlungen der Schreibertechnik, die sofortige Ortswechsel durch feste Materie mittels eines Tors oder eines Aufzugs erlaubt. Das wiederum ist nur eine Abwandlung der Fähigkeit der Götter, willkürlich durch Raum und Zeit zu reisen. Scheinbar drückt sich Euer Talent nach außen hin aus, während meins nach innen gerichtet ist.«
Ich schüttelte immer noch verärgert meinen Kopf. »Tun wir doch einmal so, als ob ich nicht mein Leben damit zugebracht hätte, modrige alte Schriftrollen zu studieren. Oder was immer Schreiber auch tun.«
»Ah. Entschuldigt bitte. Magie ist nichts weiter als Energie, Lady Oree. Sie ist Potenzial. Eure Natur bestimmt die Fähigkeit, sie zu formen und zu nutzen. Stellt Euch vor, ihr haltet einen Goldklumpen in der Hand. Gold ist in seiner reinen Form ziemlich weich. Man kann es mit den Fingern formen, wenn man nur genug Druck ausübt. Dann kann es zu vielem werden: zu einer Münze, einem Armband, einem Wasserbecher. Dennoch ist Gold nicht für alles brauchbar. Eine aus Gold gefertigte Waffe verbiegt sich zu leicht und ist zu schwer, um sie zu führen. Aus dem Grund ist ein anderes Material, wie z.B. Eisen, besser geeignet.«
Ich hörte Kleidung rascheln. Dann nahm Dateh meine Hand. Seine Finger waren trocken mit dicker Haut und Schwielen an den Fingerspitzen. Er drehte meine Hand um. Dabei kamen meine eigenen Schwielen zutage, die ich durch Holzschnitzereien und das Zurückschneiden der Minibäume erworben hatte. Auch die Flecken meiner improvisierten Zeichnung waren sichtbar. Ich wollte ihm meine Hand entziehen, tat es dann aber doch nicht.
»Die Magie in Euch ist wie Gold«, sagte er. »Ihr habt gelernt, sie auf eine bestimmte Art zu formen, aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Die Magie in mir ist mehr wie Eisen: Man kann sie formen und auf ähnliche Weise nutzen, aber ihre grundlegenden Eigenschaften sind anders. Versteht Ihr jetzt?«
Ich verstand tatsächlich. Datehs Türen oder
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