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Die Gefährtin Des Lichts erbin2

Die Gefährtin Des Lichts erbin2

Titel: Die Gefährtin Des Lichts erbin2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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Zeichnungen schon früher angefertigt und auch in ihnen die Magie gespürt. Diese Zeichnung mochte simpel sein, aber sie fing die Künstlerzeile so gut ein, dass ich beim Betrachten Heimweh bekam.
    Nur, wie sollte ich es zur Wirklichkeit machen? Und wie sollte ich dann hindurchgehen?
    Ich legte meine Finger unsicher auf den Rand der Zeichnung. »Öffne dich?« Nein, das war falsch. An der Südpromenade hatte ich zu viel Angst für Worte gehabt. Ich schloss meine Augen und sagte es ohne Worte. Öffne dich!
    Nichts. Ich hatte auch nicht erwartet, dass es so gelang.
    Einmal fragte ich Madding, wie es sich für ihn anfühlte, Magie zu benutzen. Zu der Zeit hatte ich ein wenig von seinem Blut in mir. Das machte mich ruhelos und träumerisch. Die einzige Magie, die sich damals in mir manifestierte, war der entfernte Klang von tonloser Musik. Ich vergaß die Melodie niemals, aber ich summte sie auch nie vor mich hin. All meine Instinkte warnten mich davor. Ich hatte auf etwas Grandioseres gehofft und war enttäuscht. Das brachte mich zu der Frage, wie es sich anfühlte, wenn man magisch war und nicht nur hin und wieder eine Kostprobe davon bekam.
    Er zuckte mit den Schultern und klang verwirrt. »So wie es sich für dich anfühlt, die Straße hinunterzugehen. Was glaubst du denn?«
    »Die Straße hinunterzugehen«, erwiderte ich scherzhaft, »ist nicht dasselbe wie zu den Sternen zu fliegen, tausend Meilen mit einem Schritt zu überwinden oder sich in einen großen blauen Felsen zu verwandeln, wenn man sauer wird.«
    »Natürlich ist es das«, sagte er. »Wenn du beschließt, eine Straße hinunterzugehen, spannst du die Muskeln in deinen Beinen an, richtig? Du erfühlst deinen Weg mit deinem Stock. Du stellst sicher, dass dir niemand im Weg steht. Dann setzt du deinen Willen ein, um dich in Bewegung zu setzen, und dein Körper gehorcht dir. Du glaubst daran, dass es geschehen wird, also geschieht es. So ist Magie für uns.«
    Setze deinen Willen ein, um dich in Bewegung zu setzen, und du wirst dich bewegen. Glaube, und es wird geschehen. Ich kaute auf meiner Unterlippe und berührte erneut die Zeichnung.
    Diesmal versuchte ich, mir die Künstlerzeile vorzustellen, so, wie ich mir meine Landschaftsbilder vorstellte. Ich setzte die Erinnerungen von tausend Morgen zusammen. Dort herrschte jetzt geschäftiges Treiben. Die Gegend war voller ortsansässiger Händler, Arbeiter, Bauern und Schreiber, die ihr Tagesgeschäft begannen. In einigen Gebäuden jenseits meiner Zeichnung öffneten Kurtisanen und Restaurants ihre Reservierungsbücher. Die Pilger, die im Morgengrauen gebetet hatten, machten Platz für Barden, die für Geld sangen. Ich summte eine temanische Melodie, die ich immer sehr gern gemocht hatte. Schwitzende Arbeiter, abgelenkte Buchhalter - ich hörte ihre trappelnden Schritte, ihren angespannten Atem und spürte ihre zielgerichtete Energie.
    Zunächst wurde mir die Veränderung nicht bewusst.
    Der Geruch des Baums war, seit man mich ins Haus der Aufgegangenen Sonne gebracht hatte, immer sehr intensiv gewesen. Langsam und kaum merklich veränderte er sich. Er wurde schwächer und wurde zu dem Duft im Hintergrund, an den ich gewöhnt war. Dann vermischte sich dieser Duft mit den Gerüchen der Promenade - Pferdedung, Abwässer, Kräuter und Parfüms. Ich hörte Stimmengemurmel und blendete es aus. Es stammte aber nicht aus dem Haus.
    Ich bemerkte die Veränderungen nicht, bis sich die Zeichnung unter meinen Händen öffnete und ich beinahe hineinfiel.
    Erschreckt stolperte ich rückwärts. Dann starrte ich darauf, blinzelte, beugte mich nah zu ihr hinunter und starrte noch mehr.
    Das Tischtuch auf dem Tisch an der Zeile, der mir am nächsten stand, bewegte sich. Ich konnte keine Menschen erkennen - vielleicht, weil ich keine Gestalten gemalt hatte -, aber ich hörte in der Ferne das leise Geplapper einer Menschenmenge und Schritte. Eine leichte Brise wirbelte einige heruntergefallene Blätter des Baums über das Kopfsteinpflaster der Promenade. Meine Haare flatterten ganz leicht von meinem Hals weg.
    »Faszinierend«, sagte der Nypri hinter mir.
    Entsetzt schrie ich auf und versuchte sowohl auf die Füße zu springen, als auch von der Stimme Abstand zu gewinnen. Stattdessen stolperte ich über den aufgerollten Teppich und fiel mit ausgebreiteten Armen hin. Ich versuchte, mich auf die Füße zu kämpfen, und griff nach dem Bett, um Halt zu haben. Zu spät wurde mir klar, dass ich gehört hatte, wie er den Raum betrat.

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