Die Gefährtin des Medicus
Füßen tief im schlammigen Grund Halt suchte, tauchte sie mit dem ganzen Kopf unter. Der Dreck, der an ihr klebte, breitete sich wie eine dunkle Lache im Wasser aus. Sie rieb so lange den Schmutz von ihrer Haut, bis diese glühte, und entwirrte ihre Strähnen danach so ungeduldig, dass sie sie büschelweise ausriss. Wieder war Emy unauffällig zur Stelle – er hatte am Ufer gesessen, während sie badete, jedoch den Blick vor ihrem nackten Leib niedergeschlagen –, um ihr nun einen Kamm zu reichen. Er war nur aus Holz, nicht aus Elfenbein, wie jener kostbare, den ihre Mutter hütete. Doch er erfüllte seinen Zweck viel besser als ihre Hände.
Nachdem ihre Haare vom Filz befreit waren und in der Sonne trockneten, schimmerten sie rötlich/Mehrmals schüttelte sie den Kopf, um die weichen Locken zu spüren, und sie grinste, als sie bemerkte, dass sie dabei nicht unbeobachtet blieb. Emy, der bei ihr sitzen geblieben war, wagte sie nun anzustarren – desgleichen eine Gruppe Männer, die eben auf einem Floß den Fluss heraufkamen und Körbe, randvoll mit Kohlen, transportierten.
Sie tat, als würde sie sie nicht bemerken, und stellte sich doch solcherart in Position, dass jedermann ihr neues Kleid und die frisch gewaschenen Haare gut in Augenschein nehmen konnte.
Als das Floß vorübergeglitten war, wähnte sie sich bereit, nun auch Aurel zu betören und ihm solcherart das lang ersehnte Lob abzuringen. Sie fand ihn unter einem der Obstbäume, die zwischen zwei Weinfelder gepflanzt worden waren und hierzulande viel häufiger zu sehen waren als die Olivenbäume der Küste.
Mit geröteten Wangen trat sie auf ihn zu.
»Sieh nur … ich habe ein neues Kleid. Emy hat mir …«
»Sieh vielmehr du, was ich habe!«, fiel er ihr ins Wort. Sein Blick streifte sie nur, ohne an ihr hängen zu bleiben. Stattdessen hielt er ihr etwas entgegen, was sie zunächst für ein frisches Stück Fleisch hielt. Obwohl sie sich gewünscht hatte, er würde ihr neues Kleid und die glänzenden Haare bemerken, lief ihr dennoch das Wasser im Mund zusammen. Frisch gebratenes Fleisch hatten sie in den letzten Wochen nie gegessen. Der gut haushaltende Emy hatte es als zu teuer befunden.
Doch als Aurel es noch höher hob und sie genauer auf das Fleisch starrte, schlug sie sich die Hand vor den Mund. Der Hunger verging ihr augenblicklich, der Speichel schmeckte plötzlich bitter.
Indes war auch Emy nähergetreten, und auch er hatte erkannt, was Aurel freudig durch die Luft schwenkte, alsbald aber wieder auf den Boden legte, um es zu zerschneiden.
»Woher hast du das?«, rief er, und Alaïs entging nicht, wie streng er klang.
Aurel blickte kein zweites Mal hoch. Was er da sezierte, war ein menschlicher Arm, fein säuberlich auf der Höhe des Ellbogens abgetrennt. »Keine Angst«, meinte er, »ich habe keinen Leichnam ausgegraben.«
»Aber woher …«
»Ein Henker hat’s mir verkauft!«, erklärte Aurel nun nahezu trotzig, als ränge ein Kind mit dem Vater, um die Grenze zwischen Verbotenem und Erlaubtem auszuloten. »Und du weißt: Mit den Hingerichteten kann man machen, was man will. Kein Mensch schert sich um deren Seelenheil.«
Dunkel erinnerte sich Alaïs daran, dass einst die zahnlose Bethilie in Saint – Marthe von einem Zauber gesprochen hatte, der Männer gefügig machen würde und für die man die Haare und Fingernägel eines Gehenkten brauchte. Nicht selten verdiente sich ein Scharfrichter solcherart ein Zubrot, indem er den Leib des Gefällten förmlich ausweidete, um sämtliche Organe zu verkaufen. Bekannt war auch der Fall von einem, der aus der Leichenhaut Seife hergestellt hatte.
Plötzlich fühlte sich Alaïs nicht mehr frisch gewaschen, sondern besudelt. Ihr Kleid, mochte es auch neu sein, schien förmlich vollgesogen vom süßlichen Leichengestank.
»Schmeiß das weg!«, schrie sie auf. »Schmeiß das weg! Kannst du nicht einen Augenblick des Tages mit etwas anderem zubringen als mit stinkenden Kranken und Toten?«
Aurel hatte eben einen Nerv freigelegt. »Ich muss doch wissen, wo die Nerven sitzen! Sie dürfen bei Operationen nicht verletzt werden!«
Ärgerlich stampfte Alaïs auf, doch Aurel tat nichts weiter, als die Erdkrümel zur Seite zu streifen, die dadurch hochgesprungen waren. Es bekümmerte ihn auch nicht, dass sie weglief – das musste sie nur allzu bald einsehen, als sie sich umdrehte, ihn aber immer noch in seine schaurige Arbeit vertieft sah.
»Was ist er nur für ein Mensch!«, entfuhr es ihr, und sie
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