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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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an ihn heranzudringen. Gleichgültig zuckte er die Schultern und drehtesich um – so wie er sich schon so oft von ihr abgewandt hatte, ganz gleich, ob sie ein neues Kleid trug oder nicht, ganz gleich, ob sie ihm hilfreich zur Seite stand, ganz gleich schließlich, dass er ihr nach dem, was er in Saint – Marthe angerichtet hatte, Obhut schuldig wäre. Sie vermeinte, Galle zu schmecken, als sie zusehen musste, wie sämtliche Vorwürfe an ihm abprallten, ja, nicht nur diese, sondern alles, was sie jemals zu ihm gesagt, für ihn getan hatte, was sie über ihn dachte und von ihm erhoffte.
    Er scherte sich nicht um sie.
    So nicht!, dröhnte es ihr durch den Kopf, und im nächsten Augenblick war sie auf ihn zugestürzt, packte ihn und schlug wie von Sinnen auf ihn ein. Zu überraschend fiel ihr Angriff aus, als dass er ihm etwas hätte entgegensetzen können, und im nächsten Augenblick lagen sie schon beide am Boden und drehten sich mehrmals um die eigene Achse. Hart stießen seine Knochen in ihr Fleisch.
    Eigentlich fühlte sie ihn zum ersten Mal. Sie konnte sich zwar an seine Hände erinnern, als er sie damals, im Meer vor Saint – Marthe tanzend, gepackt und gehalten hatte, doch nicht an Schultern, die auf ihre stießen, nicht an einen sehnigen Bauch, der ihr den Atem wegpresste, nicht an schlaksige Beine, die sich ungelenk strampelnd zwischen die ihren verirrten. Sein Atem traf sie, Tropfen seines Speichels, vor allem aber der Blick seiner aufgerissenen Augen, in denen überraschung stand, auch Schrecken und Verwirrung über so viel Nähe.
    Sie schmeckte beides auch, nicht sicher, ob es eine Wohltat versprach, so dicht an ihn gepresst zu liegen, und doch lachte sie auf, triumphierend, dass er ihr nicht entkommen konnte, dass er vielmehr ihr gehörte, ganz und gar. Er versuchte zwar aufzustehen, doch aus Angst um seine geschmeidigen Hände wagte er es nicht, diese zu benutzen, als sie ihn noch fester packte, und ergab sich schließlich ohne Widerstand. Mühelos konnte sie ihn nun auf den Rücken wälzen, sich auf ihn setzen, ihn so gefangen halten.
    Ja, ging ihr wieder durch den Kopf, er gehörte ihr, ganz und gar, er konnte sich ihr nicht entziehen!
    Dicht beugte sie sich über sein Gesicht, senkte ihre Lippen ganz nahe an die seinen; noch ehe sie sich berührten, vermeinte sie Josses fleischige Lippen zu fühlen, die ihr seinerzeit einen Kuss gestohlen hatten. Nun war sie in der Lage, zu stehlen – nicht nur einen Kuss, sondern auch die Macht, seine Regungen den ihren zu unterwerfen, sich seinen Körper, ähnlich wie er den der Toten, anzueignen, seinen Blick, wenn er sie denn schon nicht freiwillig ansah, zu erzwingen.
    Ich küsse ihn! Und dann muss auch er mich küssen! Er kann gar nicht anders!
    Immer noch hielt sie Abstand, presste die Lippen nicht auf die seinen, labte sich allein an der Vorstellung, es zu tun – einer Vorstellung, die ebenso aufregend war wie kaum erträglich. Heiß und kalt wurde ihr in gleicher Weise. Die Gier, ihn zu beißen und zu küssen und zu lecken und zu schlagen und zu kneifen war so groß, dass sie nicht entscheiden konnte, womit sie anfangen sollte, und während sie noch schwankte, beschwor sowohl das eine wie auch das andere unendlichen Ekel. Sein Leib versteifte sich, und als sie seinen Atem nicht mehr spürte, nicht das Pulsieren seines Herzens, so war ihr kurz, als wäre er tot und als würde sie nicht seine warme Haut und sein kräftiges Haar berühren, sondern in Louises Gedärmen wühlen, aus denen sich nur Schmutz und Unrat pressen ließ. Vor lauter Schreck darüber, ihn noch mehr als zu bestrafen lieber loswerden zu wollen, packte sie ihn noch fester.
    Das Röcheln, das er daraufhin ausstieß, ließ sie endgültig erkalten. Sie fuhr zurück mit dem heftigen Verlangen, sich augenblicklich zu waschen, in jenem Tümpel zu versinken, worin sie eben noch ihr Haar ausgespült hatte. Sie sprang auf, blickte wie erstarrt an sich herab, gewiss, dass dort, wo sie gerade noch den Druck seiner Glieder gespürt hatte, die Haut aufbrechen, Blut und Eiter hervorfließen müssten. Doch nichts dergleichen beschmutzte sie; sie sah nur, dass ihr neues Kleid Grasflecken abbekommen hatte und manche Falte.
    Erst als sich auch Aurel wieder regte, hochsprang und so hastig davonstürmte, als wäre er vom Teufel gejagt, wurde ihr Mund von einem breiten Lächeln verzogen.
    Ich hätte ihn küssen können, dachte sie, und nun, da sie nicht mehr kurz davorstand, fühlte sich von dem Gedanken nicht

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