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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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damit Elseken ihr eine Schüssel Suppe gibt.«
    »Die wird wieder zanken.«
    »Jan, es ist mein Wunsch.«
    »Das sag ich ihr dann.«
    »Genau!«
    »Komm, Martine.«
    An diesem Abend saß Laure lange vor ihrem Büchlein und sann über eine Zeichnung nach, die sie von Martine angefertigt hatte. Eine Frau, nicht mehr jung, doch mit feinen Gesichtszügen. Nicht verwittert wie das einer Bäuerin, sondern sanft gealtert. Ihr Leben mochte einige Zeit in ruhigen Bahnen verlaufen sein. Ihre Hände waren zwar schmutzig und vernarbt, aber nicht so schwielig wie die einer Arbeiterin oder Magd. Sie war hungrig gewesen, hatte jedoch nicht gierig geschlungen. Und sie bewegte sich gemessen, aber nicht langsam.
    Eine ehemalige Nonne?, huschte es Laure durch den Sinn.
    Nun, die Zeit würde es zeigen. Sie wollte darüber nachdenken, wie sie etwas mehr aus der Stummen herausbekommen konnte, aber wichtiger war es erst einmal, sie zu beobachten und sich ein Urteil darüber zu bilden, wie anstellig sie ihre Arbeit verrichtete.
    Während sie grübelte, entstand noch eine weitere Zeichnung der Frau, so, wie sie vielleicht hätte aussehen können, wenn das Leben gnädiger mit ihr umgesprungen wäre.
    Diese Fähigkeit, Gesehenes nicht nur abzuzeichnen, sondern auch zu verändern, war es, die Kornel, ihren Ehemann, vor Jahren fasziniert hatte. Und das war es, wovor Goswin und Elseken so viel Angst hatten, dass sie am liebsten ihre Büchlein verbrannt hätten. Darum zeichnete sie heute nur noch im Geheimen.
    Sacht strich Laure über das schöne Papier, das aus Nürnberg stammte.
    Ja, Kornel hatte ihr damit ein Geschenk gemacht, damals, als sie ihren Glauben verloren hatte. Er war ein so guter Mann gewesen, auch wenn er fast dreißig Jahre mehr gezählt hatte als sie. Er war geduldig mit ihr, und unter seiner Führung hatte sie gelernt, die Wirtschaft zu führen, hatte seine Kinder empfangen, geboren und aufgezogen, was ihn glücklich gemacht hatte. Ihr hatte das Leben gefallen, die immer verantwortungsvolleren Aufgaben, die er ihr zutraute, die Fürsorglichkeit, mit der er sie behandelte – sie war selbst noch fast ein Kind gewesen und wurde erwachsen unter ­seiner Anleitung.
    Dennoch verlor sie ihren Glauben an das Gute in der Welt, als sie eines Tages – sie war gerade einundzwanzig geworden – die bewusstlose, blutende Frau hinter der kleinen Kirche in Merheim fand. Sie wollte ihr helfen, und als das junge Weib wieder zu sich kam, musste Laure sich Anschuldigungen anhören, die ihr Bild von der Welt zer­störten.
    Heute, dachte Laure, würde sie anders reagieren, aber damals, erzogen von einer zutiefst frommen Mutter und einem äußerst gottesfürchtigen Vater, behütet und beschützt von einem liebevollen Gatten, erschütterte sie die Erkenntnis, dass der Dorfpfarrer Tilmanus eine Frau brutal vergewaltigt hatte. Die Erkenntnis dieser Bös­artigkeit hatte ihr Leben in ihren Grundfesten erbeben lassen. Ihre Eltern hatten sie in dem Glauben erzogen, die Priester seien Männer von tiefer Weisheit, die den Willen Gottes ergründet hatten. Und ein gottgefälliges Leben führte man, wenn man die Gebote befolgte, regelmäßig zur Messe ging, täglich seine Gebete sprach und dem Pfarrer seine Sünden anvertraute. Für Laure standen alle Geist­lichen direkt mit Gott in Verbindung, und nur über sie, so hatte man sie gelehrt, konnte man Erlösung von den Sünden finden.
    Konnte ein Mann Gottes wirklich ein Weib schänden?
    Völlig verstört hatte sie des Nachts, als sie neben Kornel im Dunkeln lag, ihrem Gatten diese bange Frage gestellt.
    Er hatte sie getröstet, hatte vorsichtig versucht, ihr die Existenz des Bösen verständlich zu machen, und ihr ihre Arglosigkeit und Einfalt Stückchen für Stückchen genommen. Doch es war schmerzhaft für sie, selbst als Kornel dafür sorgte, dass dem Weib geholfen und der Pfarrer seines Amtes enthoben wurde. Wochenlang war sie fassungslos herumgelaufen, bis sie eines Tages mit der Feder spielte, mit der Kornel seine Aufzeichnungen im Registerband machte.
    Eine Weinrebe entstand, Blätter, Trauben. Efeuranken wanden sich um das Blatt.
    Verschreckt versuchte sie das Buch zuzuschlagen, als ihr Gatte eintrat. Doch er lachte nur fröhlich auf, kaufte dem Lucas Overrath Papier und Tinte ab und zeigte ihr, wie man Federn schnitt.
    Ihren Glauben hatte sie allmählich wiedergefunden – zumindest einen Teil davon. Aber ihre Unschuld hatte sie verloren, und sie hatte gelernt, hinter die Gesichter zu

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