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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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der Toten zu ermorden – ja, eine Idiotie, mag sein, wenn sie denn der Wahrheit entspricht. Nicht alles muss sich so abgespielt haben, wie es berichtet wurde.«
    »Kann sein. Aber die Folge war, dass Plünderer das Grab aufgescharrt haben, kaum dass der Händler ihm den Rücken zugekehrt hat. Und so gab es einige Zeit lang günstig Mumia zu kaufen. Unser Drugwarenhändler mag eine davon erstanden haben.«
    »Das wird er mit seinem Gewissen ausmachen müssen. Verzeiht, Schuster, ich will mich zu meinen Gefährten setzen. Wir müssen unsere Route besprechen.«
    Magister Hagan stand auf und gesellte sich zu Piet und seinen Freunden.
    »Ihr habt wohl reiche Ernte gehalten, so wie ihr hier schmaust«, sagte er und griff auf die Platte mit den gebra­tenen Hühnern.
    »Höchst achtbar verdient«, nuschelte Inocenta mit vollem Mund. »Meinen Jokus lieben die Leute, und ein Zwergenweib erregt immer Aufsehen.«
    »Vor allem, wenn der lange Stelzenmann Unfug mit ihr treibt.«
    Magister Hagan hatte schon mehrmals Gelegenheit gehabt zu beobachten, auf welche Weise Piet und seine Vaganten das Volk unterhielten, und tatsächlich, Beutelschneiderei gehörte nicht dazu. Zumindest hatte er nichts davon bemerkt.
    »Neuigkeiten gehört auf dem Markt?«
    »Und ob«, sagte Piet und riss einem Huhn das Bein ab. »Einer der größten Possenreißer hat Konstanz einen Tag nach uns verlassen.«
    »Wer?«
    »Der unheilige Papst Johannes XXIII . floh, wie es heißt, in den Kleidern eines Knechts, weil ihm die Häscher auf den Fersen waren.«
    »Holla, das nenn ich eine Nachricht.«
    »Trifft sie dich?«
    »Nicht zutiefst.«
    »Dann wirst du es auch verkraften, dass der Baldassare Cossa schon einen Monat später in Neuenburg vom Pfalzgrafen Ludwig gefangen genommen wurde.« Piet grinste. »Sie haben den Fuchs gefangen!«
    »Ein rühm­liches Ende des Vertreters Gottes auf Erden.«
    »So viel hältst du von Gott?«, zischelte Inocenta. »Ketzer!«
    »Was für ein Gott bestimmt einen Mann wie ihn zu seinem Vertreter?«
    »Klingsohr, lass deine Fiedel erklingen, damit keine anderen Laute die Ohren hier treffen«, schlug der Magister vor. Der Fiedler nickte und griff zu seinem Instrument.
    Zwei weitere Tage blieben sie in Straßburg, und Magister Hagan erfuhr, der Drugwarenhändler Overrath sei recht überstürzt abgereist. Gerüchte über die Flucht des Papstes blühten allerorten, doch wie der Stand der Dinge wirklich war, konnte er daraus nicht recht erkennen. Er spielte seine Rolle als Briefeschreiber und Vorleser weiter, und wenn niemand seine Dienste benötigte, wanderte er müßig durch die Straßen oder über die Felder zum Rhein hinunter. Er hing, wie so oft nach seiner eigenen Flucht aus Konstanz, seinen Gedanken nach, und häufig drehten sie sich um die Frage, was Hanna so Wichtiges herausgefunden hatte, dass sie ihn unbedingt heimlich hatte treffen wollen. Und wichtig musste es gewesen sein, so wichtig, dass zwei Häscher des Kölner Erzbischofs sie mundtot gemacht hatten.
    »Unheilig, Flucht …«
    Sollte sie etwas von der geplanten Flucht des Papstes ge­­wusst haben?
    Seit er davon gehört hatte, verfolgte ihn dieser Verdacht. Möglich war es durchaus. Die Dirnen wurden oft von dem verderbten Klerikergesindel um Baldassare Cossa zu seinen wüsten Orgien beordert. In Trunkenheit und Wollust plauderten Männer oft unbedacht Dinge aus, die sie besser für sich behalten hätten. Vor allem einer Hure gegenüber, die es darauf anlegte, ihnen ihre Geheimnisse zu entlocken. Hanna hatte ihm gestanden, dass sie für einen Magister Lambertus bestimmte Informationen sammelte, nicht aber, welche.
    Ja, sie wusste etwas darüber und wollte es ihm mitteilen. Warum auch immer. Oder sie hatte Angst und suchte Sicherheit bei ihm.
    Hagan blieb an einem Poller stehen, an dem ein Segler festgemacht war, und schaute über den Fluss. Er hätte ihr helfen können. Er hätte …
    »Die Hälfte des Preises jetzt, die andere, wenn du mich in sechs Tagen nach Köln bringst«, hörte er jemanden sagen. Die Stimme kam ihm bekannt vor, und vorsichtig wandte er sich um. Der Bootseigner des schnellen Seglers, der vor ihm lag, verhandelte mit einem wohlgewandeten Herrn, der es ganz offensichtlich sehr eilig hatte, nach Köln zu gelangen.
    Hagan zog unwillkürlich die Schultern ein und bereute es, dass er keine Gugel übergezogen hatte, die er sich hätte ins Gesicht ziehen können. Dennoch blieb er stehen und lauschte weiter. Doch nun wurde nur noch gefeilscht.

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