Die Gefährtin des Vaganten
Jochen ist ein arbeitsamer, redlicher Mann. Dennoch, er steht bei Goswin nur in Lohn und Brot, wie auch die Lehrlinge.«
»Verzeiht die Frage, aber wirft das Gasthaus nicht genug ab, um ihn auszuzahlen?«
»Wir kommen gut über die Runden, Piet, aber Reichtümer erwirbt man nicht. Der größte Teil der Einnahmen fließt in Vorräte, Löhne und ständig fällige Reparaturen. Ich möchte nicht daran sparen müssen. Meine Leute sollen anständig gekleidet sein, das Dach soll dicht sein, die Betten sauber und das Essen gehaltvoll. Und meine Kinder brauchen Kleider. Ich hätte auch gerne Lehrer für sie und zahle manchmal wandernde Scholaren, dass sie ihnen Lektionen erteilen.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Piet, es bleibt nicht viel übrig. Schon gar nicht so viel, dass ich Goswin auskaufen könnte, selbst wenn er dazu bereit wäre.«
»Die Bereitschaft könnte man schon erzeugen.«
»Ja, das habe ich gesehen. Aber dann bleibt noch immer Elseken.«
»Dieser Sauerteig.«
»Schon, aber ihr Brot ist gut, und ohne sie müsste ich eine Köchin suchen. Ich kann nicht alles selbst machen, Piet.«
Er hatte Verständnis gezeigt und nicht weiter darauf beharrt. Aber das Leben wäre wahrlich einfacher, wenn statt Goswin ein anderer die Wagnerei betriebe.
Laure zog den grauen Kittel wieder an und band sich die weiße Schürze um. Auch saubere Kleider hatten ihren Preis. Dann sah sie nach Hemma, die halb dösend im Bett lag. Noch so eine Sorge, die sie bedrückte. Die arme alte Frau hatte der Überfall so erschreckt, dass sie so gut wie gar nicht mehr ansprechbar war. Martine musste sich nun die ganze Zeit um sie kümmern und konnte keine anderen Aufgaben mehr übernehmen. Mit Inocenta hatte sie darüber gesprochen, ob sie vielleicht doch einen Arzt holen sollte, doch die Zwergin hatte nur den Kopf geschüttelt.
»Zum einen wissen dann noch mehr Leute, dass sie hier ist, und zum anderen kann auch ein Arzt nichts mehr machen, wenn jemanden der Schlag getroffen hat. Manchmal heilt die Natur es wieder. Oder wenigstens etwas. Aber, Frau Laure, sie ist eine sehr alte Frau. Und wenn so ein Quacksalber erst einmal gerufen wird, dann will er auch beweisen, dass er etwas tun kann. Aber der Aderlass und ähnliche Behandlungen werden ihr nur Pein zufügen. Lasst der Natur ihren Lauf. Pflegt sie, versucht ihr dünnen Brei zu füttern, haltet das Lager sauber. Und achtet darauf, was sie Euch sagen will. Vielleicht erfahrt Ihr doch noch etwas von ihr.«
Doch sicher nicht in den nächsten Tagen, vermutete Laure. Eine Gesichtshälfte schien gelähmt zu sein, und bisher hatte Hemma nur einige leise, unartikulierte Laute von sich gegeben.
Laure richtete die Decke, nickte Martine zu und ging nach unten, um sich in der Küche zu betätigen.
Das Leben ging weiter, auch wenn die Welt um sie herum im Chaos zu versinken drohte. Ihre Gäste zumindest sollten davon nichts bemerken. Schlimm genug, dass sie den fingierten Unfall miterleben mussten! Die hochnäsige Händlersgattin hatte er allerdings sofort vertrieben, und darüber war Laure nicht eben böse.
Elseken hatte das Freitagsgericht vorbereitet, und in dem Kessel köchelte leise eine sämige Fischsuppe. Mochten die Fastenvorschriften auch bedeuten, dass kein Fleisch gegessen werden durfte, die Gäste, die bei ihr einkehrten, hatten lange Reisen hinter sich oder harte Arbeit geleistet. Sie brauchten nahrhafte Speise.
Melle kam mit einem Korb voll frischem Brot in die Küche und stellte ihn auf den Tisch. Sie wirkte ausgeglichener als die ganze Zeit zuvor. Das lange Gespräch mit Magister Hagan hatte ihr augenscheinlich gutgetan.
»Kann ich Euch bei irgendwas zur Hand gehen, Frau Laure? Die Brote sind nämlich jetzt fertig.«
»Du kannst Käse raspeln. Dort ist die Reibe. Nimm den festen Laib, nicht den weichen.«
»Gut. Was macht Ihr?«
»Eine Leckerei.«
»Ah pah, die macht Ihr immer.«
Laure musste lachen.
»Findest du?«
»Ja, Ihr macht fast jeden Tag etwas Leckeres. Und die Leute finden es ganz wunderbar. Ich hab sie das schon oft sagen hören.« Sie stellte eine Tonschüssel bereit und schnitt ein Stück Hartkäse ab. »Und mein Vater mag das auch sehr.«
»Tatsächlich?«
»Mhm. Ich glaub, er hat noch nicht oft so gut gegessen.«
»Ich weiß nicht, Melle. Er ist ein feiner Herr …«
»Ja, aber er … Oh, Ihr meint, er hat vielleicht eine Frau … Also, so wie meine Mutter …«
»Eine Haushälterin. Ja, vielleicht.«
»Aber vielleicht konnte die
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