Die Gefahr
Jones?«, fragte Rapp. Die Stabschefin des Präsidenten war ein rotes Tuch für ihn.
»Sie war zwar dabei, aber ich glaube, die Idee dazu kam aus dem Justizministerium.«
»Stokes?«
»Ja, und eine seiner Stellvertreterinnen.«
Rapp schüttelte den Kopf. »Ich kann es einfach nicht glauben. Ich dachte, wir hätten diesen Unsinn mit dem Patriot Act aus der Welt geschafft.«
»Ich auch, aber ich hätte mir denken können, dass es nicht so ist.«
»Wieso?«
»Es war im Grunde klar, dass sich gewisse Kreise nicht damit abfinden würden. Ich hätte es wissen müssen, dass sie anfangen würden, den Patriot Act zu zerpflücken, wenn der Schock des 11. Septembers erst einmal überwunden ist.«
»Irene … du kennst mich. Du weißt, dass mich diese ganzen politischen Spielchen hier in der Stadt einen Scheißdreck interessieren. Hier geht es doch darum, dass diese Kerle in einen geplanten Anschlag mit einer Atombombe verwickelt waren, und jetzt sagt mir das FBI, dass ich sie nicht verhören darf, weil sie einen Anwalt haben.«
»Mitch, mir gefällt das alles genauso wenig wie dir, aber im Moment sind uns die Hände gebunden. Die Sache ist jetzt in der Öffentlichkeit.«
»Ich werde dir sagen, was wir machen können. Wir werden ihnen die amerikanische Staatsbürgerschaft aberkennen – und zwar mit der Begründung, dass sie schon mit der Absicht nach Amerika gekommen sind, hier einen Terroranschlag zu verüben. Und dann legen wir ihnen die Daumenschrauben an, bis sie uns jeden einzelnen Komplizen und jede Information verraten, die wir brauchen.«
»Mitch, der Zug ist abgefahren«, entgegnete sie und zeigte auf den Fernseher. Auf dem Bildschirm war ein Reporter im Presseraum des Weißen Hauses zu sehen. »Die Medien wissen schon über die Hintergründe Bescheid. Der Präsident wird jeden Moment eine Erklärung abgeben. Die Politik ist in diesem Jahr ganz auf den Wahlkampf ausgerichtet. Der Präsident will einerseits, dass die Kerle die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen, weil die Leute das unterstützen, aber er will andererseits die Bedenken ausräumen, die gegenüber dem Patriot Act bestehen.«
Rapp blickte kopfschüttelnd auf den Fernseher. »Dieser verdammte Mustafa al-Yamani läuft irgendwo in Amerika frei herum. Wir haben einen toten Araber in einem Parkhaus in Charleston, einen verschollenen pakistanischen Atomphysiker, der am Montag in Atlanta angekommen ist – und die beiden Kerle, die wir in Charleston geschnappt haben, kommen ganz zufällig auch aus Atlanta.« Rapp hielt frustriert inne, ehe er hinzufügte: »Hat vielleicht schon mal jemand daran gedacht, dass uns diese beiden Männer helfen könnten, al-Yamani und den Atomphysiker zu finden?«
Irene Kennedy war genauso frustriert wie er; sie wusste, dass das Justizministerium niemanden von der CIA, und schon gar nicht Mitch Rapp, in die Nähe ihrer beiden wertvollen Häftlinge lassen würde. Ihr Schützling war nun auf dem Kriegspfad, und sie hatte nicht vor, ihn zurückzuhalten. »Darüber musst du mit dem Präsidenten sprechen«, riet sie ihm. »Aber reiß dich zusammen und behandle ihn respektvoll.«
56
ATLANTA
Das zweite Motel war nicht so nett wie das erste. Der Teppich war voller Flecken und die Tagesdecke steif wie ein Brett – doch Imtaz Zubair beklagte sich nicht. Das wäre in Gegenwart von al-Yamani auch ziemlich dumm gewesen, zumal der Mann gerade auf der Toilette war und sich übergab. Es war offensichtlich, dass er an der Strahlenkrankheit litt und nicht mehr lange zu leben hatte.
Zubair hatte schon einmal jemanden daran sterben sehen, als er noch in dem Atomkraftwerk in Pakistan gearbeitet hatte. Einmal war ein Leck aufgetreten, das von einem defekten Sensor nicht entdeckt worden war. Ein Techniker arbeitete eine ganze Schicht lang in dem verseuchten Bereich, bevor man den Schaden entdeckte. Doch da war es bereits zu spät.
Schon nach einem Tag musste sich der Mann ständig übergeben, und die Haut rötete sich und zeigte Spuren von Verbrennung. Wenig später kamen die entsetzlichen Schmerzen, bis der Mann schließlich von innen heraus verblutete. Zubair konnte sich noch an seine Schreie erinnern. Was für eine grauenvolle Art zu sterben.
Zubair saß am Fußende des Bettes und starrte in den Fernseher. Al-Yamani hatte ihm befohlen, ihn zu rufen, wenn der amerikanische Präsident zu sehen war. Der Reporter meinte, dass er sich etwas verspäten würde, dass man aber jeden Moment mit seinem Erscheinen rechne.
Als der
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