Die Gefahr
offen, dass die Bombe doch aus Pakistan stammen könnte – vor allem, wenn man an die verschollenen Atomphysiker denkt. Aber rein wissenschaftlich betrachtet handelt es sich ziemlich sicher um ein sowjetisches Fabrikat.«
»Warum?«
Reimer blickte kurz in die Runde und wandte sich dann wieder dem Präsidenten zu. »Wie gesagt, wir würden ungefähr ein halbes Jahr brauchen, um genau zu ermitteln, woher das radioaktive Material stammt, oder genauer gesagt, aus welchem Reaktor es kommt – aber das ist nicht der einzige Weg, wie man die Herkunft ermitteln kann. Die andere Methode ist die Analyse des Aufbaus. Zuerst konnten wir die Waffe überhaupt nicht zuordnen, weil wir so etwas noch nie gesehen hatten. So kam auch die Vermutung auf, dass es sich um ein frühes pakistanisches Fabrikat handeln könnte. Gefechtsköpfe im Bereich von zehn bis zwanzig Kilotonnen werden vorwiegend für Torpedos, Marschflugkörper oder Artilleriegranaten gebaut. Diese Waffe passt aber vom Bau her nicht in dieses Schema. Wir standen vor einem Rätsel, bis sich einer der älteren Wissenschaftler an eine Testserie erinnerte, die die Sowjetuni on Ende der sechziger Jahre bis Mitte der siebziger Jahre durchführte.«
Reimer blätterte in einer dicken Akte und fragte in die Runde: »Wer von Ihnen weiß etwas über das Atomwaffen-Testgelände in Kasachstan?«
General Flood und Direktor Kennedy waren die Einzigen, die die Hand hoben.
Reimer hielt eine Karte hoch. »Das Testgelände liegt im Westen von Kasachstan am Nordufer des Kaspischen Meers. Von 1949 bis ungefähr 1990 haben die Sowjets dort mindestens 620 nukleare Explosionen durchgeführt, das sind etwa zwei Drittel aller sowjetischen Atomtests. Über 300 Megatonnen an Kernwaffen wurden dort zur Detonation gebracht, das entspricht ungefähr 20000 Hiroshima-Bomben und ist fast das Doppelte aller amerikanischen Tests.«
Rapps Aufmerksamkeit konzentrierte sich ausschließlich auf die erste Information, die Reimer ihnen mitgeteilt hatte. Er hob die Hand, um Reimers Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Paul, Sie haben gesagt, dass dieses Testgelände am Nordufer des Kaspischen Meers liegt.«
»Das stimmt.«
»Es wird Sie vielleicht interessieren, dass wir bei unserer Operation in dem Al-Kaida-Lager in Pakistan eine Karte von der Region um das Kaspische Meer gefunden haben.«
Reimer hob überrascht die Augenbrauen. »Könnten Sie mir die Karte schicken, wenn wir hier fertig sind?«
»Sicher.«
Reimer machte sich eine kurze Notiz, ehe er fortfuhr: »Von den späten sechziger Jahren bis Mitte der siebziger Jahre haben die Sowjets eine Serie von so genannten Atomic Demolition Munitions, kurz ADM, getestet. Wir wissen nicht viel darüber, weil sie nicht für militärische Zwecke entwickelt wurden, sondern für unterirdische Sprengungen.«
»Wofür waren sie denn gedacht?«, fragte der Präsident.
»Auf dem kasachischen Testgelände findet man große Salzlagerstätten, in denen die Sowjets unterirdische Endlager für radioaktive Abfälle errichten wollten.«
»Hat es funktioniert?«
»Nein. Ein sowjetischer Wissenschaftler, der an dem Programm beteiligt war, hat sich 1979 in den Westen abgesetzt. Er hat uns genaue Informationen über das Projekt gegeben. Unsere Wissenschaftler beschäftigten sich damit und kamen zu dem Schluss, dass es sich nicht lohnte, die Sache weiterzuverfolgen.«
»Aber wie ist die Al Kaida an diese Bombe gekommen?«, wollte der Präsident wissen.
Nach Reimers Ansicht gab es nur zwei Möglichkeiten. Die eine davon, dass die Sowjets das radioaktive Material verkauft hatten, war nicht sehr wahrscheinlich, deshalb würde er sie hier in dieser Gruppe gar nicht erwähnen, bevor er mehr wusste. Die andere Möglichkeit, dass die Terroristen das Material direkt auf dem Testgelände entwendet hatten, war viel plausibler, doch es gab andere hier am Tisch, die diese Frage vielleicht präziser beantworten konnten, deshalb sagte er nur: »Ich bin mir nicht sicher, Mr. President.«
Außenministerin Berg beugte sich vor und blickte zu CIA-Direktor Kennedy hinüber. »Wir müssen uns an die Russen wenden.«
»Das meine ich auch. Sie können leichter als wir herausbekommen, was in Kasachstan passiert ist.«
Der Präsident wandte sich an General Flood, um dessen Meinung einzuholen. »General?«
»Ich sehe das auch so. Die Russen wollen genauso wenig wie wir, dass das Zeug in die falschen Hände gerät. Sie werden uns vielleicht nicht alles sagen, was sie herausfinden, aber sie
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