Die Gefahr
und Orden aus. Er wollte einfach nur, dass man ihn ernst nahm und auf ihn hörte. Die Entschuldigung des Präsidenten hatte ihn fürs Erste bewogen, weiter mitzumachen – aber für wie lange, das musste sich erst zeigen. In der laufenden Fahndung konnte sich Rapp nicht wirklich nützlich machen. Seine Fähigkeiten kamen am besten zum Tragen, wenn er allein vorging – und das entweder gut getarnt und unauffällig oder, wenn nötig, mit brutaler Gewalt.
Vielleicht war es wirklich Zeit, aus dem Ganzen auszusteigen. Er würde es sich ernsthaft überlegen müssen – doch fürs Erste musste er vor allem herausfinden, ob es einen früheren Flug nach Milwaukee gab. Er vermisste seine Frau schon sehr und wusste nicht, warum er seine Zeit mit Ermittlungen verschwenden sollte, die in seinen Augen ohnehin reine Zeitverschwendung waren.
Die groß gewachsene Blondine aus dem Justizministerium verkündete, dass sie eine halbstündige Mittagspause einlegen würden, worauf sich die Anwesenden erhoben und darangingen, ihre E-Mails durchzusehen, Anrufe zu tätigen und nebenbei schnell etwas zu essen. Rapp hatte sich so sehr aus allem herausgehalten, was in der Sitzung ablief, dass ihm gar nicht aufgefallen war, wie sorgsam Peggy Stealey es vermied, sich noch einmal mit ihm anzulegen.
Nachdem Valerie Jones vergangene Nacht nach Hause gegangen war, hatte Stealey sich noch eine Weile mit Holmes unterhalten und ihn gedrängt, ihr mehr über Rapp zu erzählen. Sie hatte gemeint, dass sie sehr wenig über den Mann wisse und lediglich die übertriebenen Geschichten kenne, die in den Zeitungen standen. Holmes hatte ihr geantwortet, dass die Dinge, die sie gelesen oder gehört hatte, mit großer Wahrscheinlichkeit keine Übertreibungen gewesen seien. Er versicherte ihr, dass die Medien nur einen kleinen Teil von dem wüssten, was Rapp wirklich getan habe.
Holmes wollte jedoch nicht ins Detail gehen. Er sagte ihr nur, dass es sehr mächtige Leute in Washington gebe, die das, was Rapp tat, unterstützten. Holmes warnte sie eindringlich davor, sich mit Rapp anzulegen, weil sie damit aller Wahrscheinlichkeit nach ihre eigene Karriere und womöglich auch die ihres Chefs gefährden würde. Außerdem riet er ihr, sich vor Rapps Chefin Dr. Kennedy in Acht zu nehmen. Die Direktorin der CIA mochte noch so zurückhaltend und unscheinbar auftreten – in Wahrheit verfügte sie über großen Einfluss in Kreisen, in denen nicht einmal er, Holmes, mitreden dürfe.
Um Kennedys Einfluss zu unterstreichen, verriet ihr Holmes, dass jemand, der ein hohes Amt in Hayes’ Regierung bekleidete, nicht mehr lange auf seinem Sessel sitzen werde, wovon noch nicht einmal der Präsident selbst etwas wisse. Stealey wollte ihm entlocken, um wen es sich handelte, doch Holmes hielt sich bedeckt. »Glaub mir«, sagte er nur, »bis spätestens Herbst wird ein ganz hohes Tier – und ich spreche jetzt nicht vom Vizepräsidenten – weg vom Fenster sein, und es wird das Werk von Irene Kennedy sein.«
Peggy Stealey, die von Natur aus ebenso wie von Berufs wegen ein skeptischer Mensch war, beschloss, Holmes’ Warnung durchaus zu beherzigen, wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad. Mitch Rapp hatte etwas an sich, das sie in gewisser Weise anziehend fand. Er war wie ein wildes Tier, das sich durch nichts und niemanden bändigen ließ. Die Kühnheit, mit der er vor dem Präsidenten und hochrangigen Angehörigen seines Kabinetts auf getreten war, hatte schon etwas Atemberaubendes.
Doch sie hatte des Öfteren Männer wie Rapp in die Knie gezwungen. Sie hatten alle miteinander eine Schwäche; sie waren so voll gepumpt mit Testosteron, dass schon ein kurzer Blick in einen Ausschnitt oder ein zufälliges Streicheln mit der Hand über die richtige Stelle genügte, um ihre Jagdleidenschaft zu entfachen. Stokes war früher genauso gewesen, doch seine Mutter und seine kleine Frau hatten ihm diesen urmännlichen Drang ausgetrieben. Sie hatten dafür gesorgt, dass aus einem attraktiven und aggressiven Mann ein sittsamer Eunuch im Anzug wurde.
Aber mit Rapp hätte es Stokes nicht einmal zu seiner besten Zeit aufnehmen können. Rapps markantes, durchaus ansprechendes Äußeres sowie das Wissen, dass er mehrere Menschen getötet hatte, ließen ihn in Peggys Augen überaus anziehend erscheinen. Peggy Stealey stand bei der Tür und beobachtete ihn, während die Anwesenden nach und nach das Konferenzzimmer verließen. Er bewegte sich mit einer natürlichen, kraftvollen Anmut.
In diesem
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