Die Gefahr
Schoyer wollte in seinem Job sehr wohl auch etwas bewirken. Das war der Grund gewesen, warum er einst zur Polizei gegangen war – und wie er so auf das riesige Containerschiff hinunterblickte, das gerade vom anderen Ende der Welt hierher gekommen war, hoffte er sehr, dass sie alle heute etwas Positives bewirken konnten. Ob es ihm nun passte oder nicht – er stand heute absolut im Blickpunkt. McMahon hatte ihm mitgeteilt, dass der Präsident und sein National Security Council das Geschehen aufmerksam verfolgten – und als wäre das nicht schon Druck genug gewesen, befand sich auch noch irgendwo unter den Unmengen von Containern einer, in dem womöglich eine Atomwaffe verborgen war, die die Stadt Charleston dem Erdboden gleichmachen konnte. Schoyer war jederzeit bereit, es mit den ärgsten Verbrechern aufzunehmen, aber von einer Atombombe fühlte er sich doch ein wenig überfordert.
Als das Search Response Team im Hafen eintraf, war er ziemlich erleichtert, dass er die Sache an Leute übergeben konnte, die wussten, wie man so etwas anpackte. Debbie Hanousek wurde von einem von Schoyers Agenten zur Beobachtungsterrasse begleitet und machte sich gleich an die Arbeit.
»Ich nehme an«, sagte sie und zeigte auf den Hafen hinunter, »das ist das Schiff, das alle so sehr in Aufregung versetzt hat?«
Der Hafenmeister reichte ihr sein Fernglas. »Wir haben den betreffenden Container schon herausgesucht. Es ist der rote, der sechs Reihen hinter dem Bug frei steht.«
»Wir wollten ihn nicht bewegen, bis Sie kommen«, fügte Schoyer hinzu.
Hanousek nickte. »Nun … wenn das Ding nicht hochgegangen ist, während es über den Ozean geschippert wurde, dann wird es auch nicht hochgehen, wenn wir es abladen. Lassen Sie es ruhig mit dem Kran an Land bringen, wo ich mit meinen Leuten mehr Platz habe.«
Der Zollbeamte zeigte auf eine Art Zelt, das man auf dem Hafengelände aufgestellt hatte. »Wir haben das VACIS bereit.«
VACIS bedeutete so viel wie Vehicle And Container Inspection System. Es handelte sich um ein mobiles System, mit dem die Dichte von Gegenständen gemessen werden konnte. Hanousek schüttelte den Kopf. »Ich möchte es lieber zuerst auf eine eventuelle Strahlung überprüfen.«
Sie wandte sich wieder dem Hafenmeister und Schoyer zu. »Gibt es hier einen Platz, wo wir uns das Ding ansehen können, ohne dass uns jemand dabei zusieht?« Ihr fiel die Windjacke des FBI-Mannes auf, doch sie beschloss, hier vor den anderen lieber nichts zu sagen.
»Ja.« Der Hafenmeister hob sein Funkgerät an den Mund und setzte sich mit dem Stauer in Verbindung.
»Hank, hol das Ding runter und sag einem der Docker, er soll es zur Inspektion rüber nach 105 bringen.« Der Mann, der für das Entladen verantwortlich war, sorgte sogleich dafür, dass sich der riesige Kran in Bewegung setzte.
Während die anderen nervös zusahen, wandte sich Hanousek an den Agenten, der sie vom Flughafen abgeholt hatte. »Los, gehen wir.«
Auf dem Weg nach unten fragte der Agent: »Wollen Sie meinen Chef nicht auch auffordern, dass er seine Jacke ausziehen soll?«
Hanousek lachte. »Nein, da halte ich mich lieber zurück. Ihr Jungs seid bei solchen Sachen ein bisschen empfindlich. Ich halte es für klüger, wenn Sie ihn anrufen und ihm mitteilen, was ich Ihnen gesagt habe.«
Hanousek hatte auf dem Weg von der Air Force Base erfahren, dass der junge Mann tatsächlich erst vor drei Monaten seine Ausbildung abgeschlossen hatte. Sie sah, dass er ein ziemlich mulmiges Gefühl dabei hatte, seinem Chef sagen zu müssen, was er tun solle, deshalb konnte sie der Verlockung nicht widerstehen, ihn noch ein bisschen aufzuziehen. »Ich hoffe nur, dass das verdammte Ding nicht hochgeht, wenn wir es abladen.«
Der junge Mann sah sie mit geweiteten Augen an, während er sich bemühte, mit ihr Schritt zu halten. »Meinen Sie das ernst?«
Hanousek lachte nur und ging weiter. Sie verstand einfach nicht, warum die Leute immer gleich so nervös wurden, wenn sie es mit Atomwaffen zu tun hatten. Im Vergleich zu anderen Bomben verhielten sie sich erstaunlich stabil. Na ja, zumindest einigermaßen.
40
Vom Parkhaus des South Carolina Aquarium hatte man einen ausgezeichneten Blick auf das Hafengelände. Al-Yamani saß auf dem Beifahrersitz des Wagens und verfolgte mit großem Interesse, was dort unten vorging. Der morgendliche Berufsverkehr hatte seinen Höhepunkt erreicht, und in der Innenstadt wimmelte es von Fahrzeugen und Menschen, sodass er in dem Gewühl kaum
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