Die Gefahr
Krawatten.«
Die beiden sahen einander unsicher an, ehe einer von ihnen fragte: »Meinen Sie das im Ernst?«
»Wart ihr zufällig schon mal am Hafen?«, fragte sie. Die beiden nickten. »Habt ihr dort viele Leute in Krawatten und FBI-Jacken herumlaufen sehen?«
Diesmal antwortete keiner der beiden.
»Hier geht es darum, nicht aufzufallen«, sagte sie. »Wir müssen das verdammte Ding finden, ohne dass es jemand mitbekommt, verstanden?«
Die beiden jungen Special Agents nickten.
»Gut. Dann packen wir jetzt unsere Sachen in den Wagen und fahren zum Hafen.«
Die Angehörigen des Search Response Teams luden ihre Ausrüstung rasch in den großen schwarzen Chevy Suburban und in den Kofferraum des Ford Crown Victoria und machten sich auf den Weg zum Hafen.
Dick Schoyer blickte durch sein Fernglas auf das Hafengelände hinunter und beobachtete, wie die beiden Zollbeamten auf die Madagascar zugingen. Er stand auf der Beobachtungsterrasse eines zweistöckigen Hauses nicht weit von der Stelle, wo das Schiff an der Pier festgemacht hatte. Bei ihm waren der Hafenmeister, der Chef der Hafenpolizei, der zuständige Direktor für Zoll und Grenzschutz und der Kommandeur der lokalen Küstenwache. Schoyer hatte allen Anwesenden klargemacht, dass nichts und niemand das Schiff verlassen durfte, bevor nicht die Erlaubnis von Washington kam.
Als normale Vorsichtsmaßnahme wurde ein Mann von der Hafenpolizei an der Gangway postiert, um sicherzu stellen, dass niemand ohne ihr Wissen das Schiff betrat o der verließ. Die Zollbeamten begaben sich über die Gangway auf das riesige Schiff. Sie hatten die Anweisung, den genauen Standort des betreffenden Containers zu ermitteln und so lange auf dem Schiff zu bleiben, bis das Search Response Team angekommen war.
Nach zwanzig angespannten Minuten teilten sie dem Hafenmeister über Funk mit, dass der gesuchte Container irgendwo unter einem Stapel verborgen war. Nach Rücksprache mit dem Stauer kam man zu dem Schluss, dass man ungefähr eine Stunde brauchen würde, um zu dem Container zu gelangen, wenn man zwei Kräne einsetzte, und rund vierzig Minuten, wenn man drei Kräne benutzte. Schoyer rief rasch McMahon in Washington an, der wiederum Reimer vom Energieministerium fragte, was sie tun sollten. Reimer meinte, dass seine Leute die Lage besser beurteilen könnten, wenn sie von allen vier Seiten Zugang zu dem Container hätten. Aus diesem Grund sei es günstiger, den Container vom Schiff zu bringen, damit ihn seine Leute eingehend untersuchen konnten.
Wenig später machten sich zwei der riesigen Sechs-Millionen-Dollar-Kräne an die Arbeit. Als die Meldung kam, dass das Search Response Team am Air-Force-Stützpunkt gelandet war, wurde ein dritter Kran eingeschaltet. Unter den wachsamen Augen der Zollbeamten wurde ein Container nach dem anderen vom Schiff gebracht und in einem abgeriegelten Bereich des Hafens deponiert.
Special Agent Schoyer verfolgte das Ganze mit gemischten Gefühlen. Er liebte die verschiedenen Aspekte seines Jobs. Wenn man in Columbia, South Carolina, Dienst tat, stand man sicher nicht so im Mittelpunkt des Geschehens, wie wenn man in New York, Miami oder L.A. gearbeitet hätte, doch das störte Schoyer eigentlich nicht. Er war nicht darauf aus, im Mittelpunkt zu stehen. Er war gut genug, um sich innerhalb des FBI hochzuarbeiten, und klug genug, um einen guten Posten zu schätzen. Und in Columbia, South Carolina, hatte er es wahrlich nicht schlecht getroffen. Er kam hier mit seinem Gehalt bestimmt besser aus, als das in New York oder Washington der Fall gewesen wäre, und seine Frau und die fünf Kinder fühlten sich in Columbia wohl.
In den vergangenen beiden Jahren hatte er sich an den langsameren Lebensrhythmus hier im Südosten gewöhnt. Er war längst nicht mehr so versessen auf Action wie noch als Zwanzig- oder Dreißigjähriger. Er hatte seine Laufbahn in Detroit begonnen, wo er in einem der wildesten Viertel der Stadt Nachtdienst getan hatte. Es war wohl die aufregendste Zeit seines Lebens gewesen. Jede Nacht war etwas los – und nicht selten war Gewalt im Spiel, die bisweilen auch tödlich endete. Nach zwei Jahren wurde er befördert und auf größere Fälle angesetzt, die mehr Papierkram mit sich brachten und auch mehr Geduld erforderten. Doch wenn er mit seinen Ermittlungen Erfolg hatte und Leute, die es verdient hatten, lebenslang hinter Gitter bringen konnte, so bereitete das dem sechsundvierzigjährigen FBI-Agenten eine immense Befriedigung.
Dick
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