Die Gefahr
dem Handy, während sie zusah, wie der Lastwagen langsam auf sie zukam. Als der Wagen in dem Gebäude verschwand, gab sie den umstehenden Männern zu verstehen, dass sie das Tor schließen sollten.
Als al-Yamani sah, wie sich das große Tor schloss, wusste er mit absoluter Sicherheit, dass es sein Container war, den sie soeben in das Haus gebracht hatten. Die Waffe, für die er Jahre seines Lebens geopfert hatte und deren Beschaffung Dutzende seiner Männer das Leben gekostet hatte, befand sich in dem Gebäude dort unten im Hafen. Er hatte keinen Zugriff mehr darauf, und sein ganzer Plan stürzte zusammen wie ein Kartenhaus. Zum ersten Mal, seit er ein erwachsener Mann war, fühlte er sich den Tränen nahe. Wie hatte das nur passieren können?
Die Schritte, die er hinter sich hörte, rissen ihn aus seinen trüben Gedanken. Rasch drehte er sich um und griff nach seinem Messer – doch es war nur Yacoub, der von der Toilette zurückkam.
Der junge Kuwaiter sah den besorgten Gesichtsausdruck des Mannes, den er noch nicht einmal einen Tag kannte. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
Al-Yamani antwortete nicht gleich. Er war immer noch außer sich angesichts der Tatsache, dass seine Pläne offensichtlich durchkreuzt worden waren. Doch er verbarg seine Wut und sein plötzliches Misstrauen dem jungen Mann gegenüber. »Alles in Ordnung«, sagte er nur.
Yacoub trat zu ihm und blickte auf den Hafen hinunter. »Jetzt kann es nicht mehr lange dauern. Das Schiff ist mindestens zur Hälfte entladen.«
»Du hast wahrscheinlich recht«, sagte al-Yamani und reichte ihm das Fernglas. »Wofür wird das Haus dort drüben genutzt?«
Yacoub blickte durch das Fernglas hinunter. »Welches Haus?«
Al-Yamani trat hinter den jungen Mann und zeigte über seine Schulter auf das Haus mit der Aussichtsterrasse. »Das Haus dort drüben, wo die Männer auf der Terrasse stehen.« Während er immer noch mit einer Hand auf das Haus zeigte, griff er mit der anderen unter sein Hemd und zog das Messer hervor. Er legte dem ahnungslosen Mann beiläufig die Hand auf die Schulter und packte im nächsten Augenblick fest zu, um ihm das Messer mit voller Wucht in den Rücken zu stoßen.
Das Fernglas fiel auf den harten Boden, und ein Objektiv zerbrach in mehrere Stücke. Der Körper des jungen Mannes erstarrte, und sein Mund ging auf, um einen entsetzten Schrei auszustoßen – doch al-Yamani war schneller und drückte ihm die Hand auf den Mund, um den Schrei zu ersticken.
Der Todeskampf währte nur wenige Sekunden, dann sank der junge Kuwaiter zu Boden. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er al-Yamani an, so als versuche er zu verstehen, warum ihn sein Mitbruder soeben getötet hatte. Al-Yamani zog das Messer heraus, als der Körper des Mannes schlaff wurde. Er ließ ihn auf den Boden fallen und blickte sich rasch im Parkhaus um. Fast befürchtete er, ein paar FBI-Männer zu sehen, die mit gezogenen Waffen auf ihn zukamen und ihm zuriefen, dass er das Messer fallen lassen solle, so wie er es aus Filmen kannte. Al-Yamani überlegte bereits, wie er ihnen entkommen konnte – nicht, indem er flüchtete, sondern indem er sich das Leben nahm –, und er kam auf die Idee, dass er vom Deck des Parkhauses in die Tiefe springen könnte.
Doch sie kamen nicht. Die Sekunden verstrichen, und er blieb allein im obersten Geschoss des Parkhauses. Er ließ sich auf ein Knie nieder und wischte das Messer am Hemd des Toten ab. Al-Yamani blickte in die dunklen, unschuldig dreinblickenden Augen des Mannes. Er hatte nicht die geringste Ahnung, ob der Kuwaiter ihn tatsächlich verraten hatte, ob er sich nur dumm angestellt hatte, oder ob man ihm überhaupt nichts vorwerfen konnte. Es spielte aber auch gar keine Rolle.
In diesem Kampf war jeder ersetzbar, vom größten aller Krieger im Namen Allahs bis hinunter zum kleinsten und unbedeutendsten. Tatsache war jedenfalls, dass irgendetwas schief gelaufen war. Al-Yamani wusste nicht, was passiert war, doch es war ihm klar, dass er nun besonders wachsam sein musste. Er würde nicht zulassen, dass ihn die Amerikaner zu fassen bekamen, und der junge Kuwaiter wäre nur ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor gewesen. Al-Yamani zog die Leiche in einen Winkel des Parkhauses, wo sie von einem geparkten Wagen verdeckt wurde. Er nahm die Geldbörse des Mannes an sich und lief zum Wagen zurück. Jetzt galt es vor allem, aus dieser verdammten Stadt zu verschwinden.
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»Paul«, sagte Debbie Hanousek, während ein schwerer
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