Die gefangene Braut
sein Besitz, und er benutzte sie, bis er ihrer überdrüssig wurde, aber niemand durfte sie ihm wegnehmen. Sie war zu dumm gewesen. Was hatte sie denn von ihm erwartet – etwa, daß er sagte, er sei ihr zur Rettung gekommen, weil er sie liebte? Daß ihm der Gedanke, sie zu verlieren, unerträglich war?
Doch dann blieb sie stehen. Sie hatte kein Recht, zornig über seine Antwort zu sein. Sie erwartete zuviel. Zumindest hatte Philip gesagt, sie gehöre ihm, und genau das wollte sie schließlich. Sie brauchte nur Zeit – Zeit, um ihn dazu zu bringen, sie zu lieben, Zeit, ihm ein Kind zu gebären, das sie aneinander binden würde.
Christina mußte sich mit irgend etwas beschäftigen, um sich von Philip abzulenken. Sie setzte sich mit einem Buch auf ihr Bett und fing an zu lesen.
Kurz darauf betrat Rashid das Zelt. Als er Christina sah, sperrte er vor Staunen den Mund auf. Christina war ebenfalls überrascht, denn normalerweise kam Rashid nicht einfach in ihr Zelt, jedenfalls nicht mehr, seit Philip es ihm strikt untersagt hatte.
»Was – was tust du hier?« fragte Rashid nach einem ungewohnt langen Schweigen.
»Ich lebe hier – wo sollte ich sonst sein?« fragte sie lachend.
»Aber du warst doch … Wie bist du hierhergekommen?«
»Was ist los mit dir, Rashid? Hat dir denn niemand gesagt, was passiert ist? Ich bin entführt worden, und Philip wäre beinah von deinem Onkel getötet worden, aber er ist entkommen und hat mich hierhergebracht.«
»Ist er hier?«
»Natürlich ist er hier. Dein Benehmen ist äußerst seltsam, Rashid. Fühlst du dich nicht wohl?«
»Rashid!« rief Philip aus dem Schlafzimmer.
»Da, siehst du?« sagte Christina, denn sie hatte das ko-
mische Gefühl, daß Rashid ihr nicht glaubte. »Geh lieber zu ihm, denn er kann nicht rauskommen.«
»Was fehlt ihm?«
»Er hat üble Verbrennungen, und daher ist es besser, wenn er eine Zeitlang im Bett bleibt«, erwiderte Christina.
Rashid zögerte einen Moment, ehe er das Schlafzimmer betrat. Christina folgte ihm und setzte sich neben Philip auf das Bett.
»Wo warst du, Rashid?« fragte Philip mit ruhiger Stimme.
»Was soll das heißen – ich war draußen in der Wüste und habe Christina gesucht. Ich bin in der Nacht, in der sie entführt worden ist, zurückgekommen, und Syed hat mir erzählt, was passiert ist.«
»Und hat Christina dir nicht gerade erzählt, wie es weiterging?«
»Sie hat meinen Onkel erwähnt.«
»Sag mir eins, Rashid. Wußtest du nichts von dem Haß deines Onkels auf unseren Vater?«
»Doch, aber mein Onkel ist ein alter Mann. Ich hätte nicht gedacht, daß er etwas vorhat«, antwortete Rashid, der sichtlich nervös war.
»Als du Ali Hejaz vom Tod unseres Vaters berichtet hast, hat sich sein Haß auf mich gerichtet!«
»Davon wußte ich nichts«, flüsterte Rashid.
»Infolge deines losen Mundwerks ist Christina dazu benutzt worden, mich in das Lager deines Onkels zu locken. Sie ist von einem Angehörigen seines Stammes geschlagen worden, und deinem Onkel wäre es beinah gelungen, mich umzubringen.« Philip legte eine Pause ein und musterte Rashid aufmerksam. »In Zukunft, Rashid, wäre ich dir dankbar, wenn du Abstand davon nehmen würdest, meinen Namen oder irgend etwas, was mich betrifft, deinem Onkel gegenüber zu erwähnen – oder auch irgend jemand anderem gegenüber. Wenn noch einmal etwas geschehen sollte, was auf deine Anregung zurückgeht und mein Leben verkürzen könnte, werde ich weniger freundlich darauf reagieren. Ist das klar?«
»Ja«, antwortete Rashid nervös.
»Dann kannst du jetzt gehen. Ich brauche Ruhe.«
»Warst du nicht etwas zu grob mit ihm?« fragte Christina, als Rashid gegangen war. »Es war doch nicht wirklich seine Schuld.«
»Mußt du Rashid denn immer in Schutz nehmen? Lassen wir die Schuldfrage ungeklärt, solange es nicht zu weiteren solchen Vorfällen kommt. Und jetzt laß uns von etwas anderem reden. Bring mir zwei Schläuche Wein, und wenn ich bis zur Bewußtlosigkeit betrunken bin, könntest du mir den Gefallen tun, diese Schmiere von meiner Brust zu entfernen. Sie macht mich verrückt.«
»Wie der Herr wünschen«, neckte sie ihn, und sie verließ den Raum, ehe er auf ihre spitze Bemerkung reagieren konnte.
19
Zehn Tage waren vergangen, seit Philip Christina in das Lager zurückgebracht hatte. Zehn Tage voller Schmerzen, Klagen und Enttäuschungen. Zehn elende Nächte in seinem einsamen Bett. Der Schmerz war völlig verschwunden, und dunkelbraune Haut war
Weitere Kostenlose Bücher