Die gefangene Braut
zurückgeblieben, die sich in wenigen Tagen schälen würde. Er hoffte, er würde dann wieder so aussehen wie früher. Und heute – heute nacht würde er Christina in sein Bett locken. Heute nacht würde er sie sich nehmen, nachdem er so lange hatte warten müssen.
Philip fühlte sich wie ein Kind, das auf Heiligabend wartet. Weihnachten stand auch wirklich in wenigen Tagen bevor. Aber er würde sein Geschenk schon heute abend bekommen, und die Vorfreude war kaum zu ertra-
gen. Er hätte Christina heute morgen schon nehmen können, aber er wollte alles so anfangen, daß sie unmöglich mit irgendwelchen Ausreden kommen konnte.
Philip hatte seinen Alltag wieder in Angriff genommen. Dazu gehörte auch, Christina zum Baden zu begleiten. Sie im Teich zu sehen, hatte extreme Anforderungen an seine Willenskraft gestellt! Aber jetzt war der Abend herangerückt.
Christina lag zusammengerollt auf dem Sofa gegenüber von Philip. Sie nähte einen winzigen Kaftan für den kleinen Syed, und sie hatte das Kleidungsstück schon fast fertiggestellt, aber ihre Gedanken schweiften ab. Sie fragte sich, was mit Philip los war. Es ging ihm wieder gut, aber sie schlief immer noch auf dem Sofa. Ein unerwünschter Gedanke ging ihr immer wieder durch den Kopf – was, wenn er sie nicht mehr haben wollte?
Wie dem auch sein mochte – bald würde sie es wissen, denn sie war fest entschlossen, heute nacht in seinem Bett zu schlafen.
»Ich gehe jetzt ins Bett, Philip«, sagte sie.
Sie stand vom Sofa auf und ging ins Schlafzimmer, wie sie es in den vergangenen zehn Tagen auch getan hatte -um ihre Kleider abzulegen und sich zum Schlafen in einen von Philips Kaftanen zu hüllen. Doch heute würde sie seinen Kaftan nicht anziehen, und sie würde auch nicht in das andere Zimmer zurückkommen.
Als Christina ihre Bluse auszog und sie auf ihre Kleidertruhe legte, spürte sie einen Luftzug, denn der Vorhang wurde zurückgeschlagen. Doch sie drehte sich nicht um. Sie flocht ihre Zöpfe auf, und sie tat es sehr langsam, denn ihre Finger zitterten vor Nervosität.
Das war der Moment, auf den sie gewartet hatte. Sie wußte, daß Philip den Raum betreten hatte, aber sie wußte nicht, was er tun würde. Er konnte ganz einfach ins Bett gehen – ohne etwas von ihr zu wollen – oder er konnte zu ihr kommen. O Gott, laß ihn kommen!
Plötzlich spürte Christina ihn hinter sich. Sie drehte sich langsam zu ihm um, und ihr Blick drückte Zärtlichkeit und Liebe aus, und in seinen Augen stand unglaubliches Verlangen.
»Christina.«
Sie ging auf Philip zu, schlang ihre Arme um seinen Hals und zog seinen Mund auf ihre Lippen. Seine Arme preßten sie an sich. Als er sie auf das Bett gleiten ließ, fragte sie sich, ob sie jemals wieder so glücklich sein würde.
Nachdem sie sich geliebt hatten, lag Christina mit dem Kopf auf Philips Schulter da. Mit dem Finger spielte sie in den Locken auf seiner Brust. Eins wußte sie jetzt ganz gewiß – Philip begehrte sie noch. Und solange er sie begehrte, würde er sie nicht fortschicken.
Sie war so froh, daß an Schlaf nicht zu denken war, und sie staunte darüber, daß sie keinerlei Schuldgefühle empfand, nachdem sie sich Philip so willig hingegeben hatte. Aber weshalb hätte sie auch Schuldgefühle haben sollen, wenn sie sich ihm hingab? Sie liebte ihn, und es war nur natürlich, daß sie ihn glücklich machen wollte. Sie wollte sich dem, den sie liebte, ganz und gar hingeben. Und es kam erst in zweiter Linie dazu, daß Philip ihr dabei die größten Genüsse auf Erden bereitete.
Was bedeutete schon eine Ehe? Nichts weiter als ein unterzeichneter Vertrag, den man der Zivilisation vorzeigen konnte. Sie lebte nicht inmitten der Zivilisation, und es zählte nur, was sie empfand. Zum Teufel mit der zivilisierten Welt. Sie war nicht hier, um sie zu verdammen, und sie hatte auch nicht vor, dorthin zurückzukehren.
Aber sie mußte auch an John denken.
»Philip, bist du wach?«
»Wie könnte ich schlafen, wenn deine Finger mich kitzeln?« fragte er im Spaß.
Christina richtete sich im Bett auf und sah ihn an.
»Philip, könnte ich meinem Bruder schreiben, damit er weiß, daß mit mir alles in Ordnung ist?«
»Würde dich das glücklich machen?« fragte er.
»Ja.«
»Dann schreib ihm. Saadi wird deinen Brief überbringen. Aber du wirst deinem Bruder nicht schreiben, wo du bist, mein Liebling. Ich glaube kaum, daß es mir Spaß machen würde, wenn die gesamte Britische Armee diesen Berg stürmt.«
»O Philip, ich
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