Die Gefangene des Highlanders
aufgerichtet, und seine Hand suchte etwas unter dem Strohsack.
„Was ist?“, murmelte sie schlaftrunken.
„Nichts … mein Gürtel …“
Sie blinzelte in den Raum und lächelte.
„Dort drüben auf der Truhe, armer, blinder Braden …“
Sie erhob sich, bot ihm das süße Bild ihrer blendenden Nacktheit, schlüpfte dann in ihr Hemd und warf ihm den Gürtel zu.
„Ich wette, Margreth kocht die Erbsen wieder viel zu weich“, meinte sie geschäftig, während sie ihr Kleid überstreifte. „Glaubst du, Druce ist mit den armen jungen Kerlen immer noch zugange?“
„Möglich.“
Er hatte Mühe, unbefangen zu lächeln, denn er konnte den Gedanken an die seltsame Schriftrolle nicht loswerden. Schweigsam zog er seine Kleider über und ging an ihrer Seite die Treppenstufen hinab, um unten im Burghof nach dem Rechten zu sehen.
Man empfing das Paar mit verschmitztem Grinsen, einige Männer sahen neidvoll auf die blühend schöne Lady, die Frauen streiften Bradens kraftvolle Gestalt mit andächtigen Blicken. Marian war schon nach wenigen Augenblicken zwischen den Leuten auf dem Burghof untergetaucht, man hörte ihre helle Stimme, ihre energischen Anweisungen, ihr fröhliches Lachen. Braden musste sich heute dazu zwingen, seine Pflichten als Burgherr nicht zu vernachlässigen, er machte seine übliche Runde, lobte die jungen Krieger, grinste dem schweißtriefenden Druce freundschaftlich zu und stellte neue Wachen auf.
Alles war ruhig – die Feuer wurden entzündet, um die Abendmahlzeit zuzubreiten, die Menschen waren heiter, er hätte zufrieden sein können.
Er war es nicht. Ein nagender Zweifel hatte sich seiner bemächtigt und verdüsterte seine Stimmung. Schatten taten sich wieder auf, Bilder, die er längst vergessen geglaubt hatte, schoben sich vor seine Augen, und er spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat.
Warum frage ich sie nicht?, dachte er unglücklich. Warum bin ich so feige?
Er legte mit Hand an, als das Dach des Turmanbaus aufgerichtet wurde, lobte die Männer und gebot dann, dass die Arbeit für heute getan war. Doch während die Bauern sich zufrieden den Staub aus den Kitteln klopften, spürte er, wie die Unruhe ihn aufs Neue erfasste. Er sah hinüber zu den Frauen, erblickte Marians roten, lockigen Schopf, hörte, wie sie in lautes Gelächter ausbrach und zuckte dabei zusammen. Warum tat es ihm weh, sie lachen zu hören?
Ich bin verrückt, dachte er, zornig auf sich selbst. Es sind die verfluchten Erinnerungen, die mich täuschen. Wahrscheinlich habe ich dieses Pergament nur geträumt, und in Wirklichkeit ist gar nichts da gewesen.
Schließlich hatte seine Hand es auch nicht mehr ertasten können, als er vorhin neben Marian aus dem Schlaf erwachte. Es war nichts als eine Ausgeburt seiner Phantasie, wie sollte ein beschriebenes Pergament in sein Turmzimmer gelangt sein?
Er warf einen Blick zu Druce hinüber, der sein Gesicht hinter einem Becher mit Bier verbarg, und es schien Braden, als habe Druce Grund, ihm nicht in die Augen zu sehen. Sein Gewissen meldete sich – er hatte sich seinem eigenen Liebesglück hingegeben, ohne an den Freund zu denken. Druce liebte Fia MacAron – es war an der Zeit, eine Möglichkeit zu suchen, wie auch Druce glücklich werden konnte.
Braden wusste nur zu gut, dass der alte MacAron seine Tochter Fia nicht freiwillig an Druce MacMorray geben würde. Doch man würde nachhelfen, mit Marian an seiner Seite, einer befestigten Burg und starken Kämpfern im Rücken und mit zähen Verhandlungen. Dies war der Weg zum Frieden, nur so konnte es gelingen.
Entschlossen betrat er den Turm und stieg die Treppe hinauf, um noch einmal nach jener Schriftrolle zu suchen, von der er hoffte, dass sie nur eine Sinnestäuschung gewesen war. Schon setzte er den Fuß auf die oberste Stufe, suchte mit den Augen bereits das zerwühlte Lager ab, da vernahm er hinter sich ein Geräusch. Es war ein leises Scharren, Leder, das über steinigen Grund schleift, kurz nur, und dennoch verräterisch. Jemand hatte sich im unteren, dämmrigen Turmzimmer rasch zur Tür hin bewegt und war dabei ausgeglitten.
In drei Sätzen war er die Treppe hinuntergesprungen, er ahnte die Gestalt mehr, als dass er sie sehen konnte, packte mit beiden Händen zu und fasste einen groben Kittel, von einem Lederriemen gegürtet. Der Kerl wehrte sich, wand sich wie ein Aal, und Braden spürte, dass es ein junger Kerl war, kräftig schon und nicht ungeschickt. Schließlich wurde es ihm zu dumm, er gab dem
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