Die Gefangene des Highlanders
traten unerwartet aus einem Nebengebäude, ganz offensichtlich waren sie die Ablösung für die Turmwachen und stießen mit Braden fast zusammen. Dann ging alles sehr rasch.
„Alarm! Feinde in der Burg!“
Fackeln wurden herbeigetragen, halbbekleidete Ritter, die Schwerter und Äxte in den Händen, erschienen auf dem Burghof, Braden und seine Getreuen waren im Nu von Feinden umringt.
„Das ist Braden MacDean!“
Graham MacBoyll war auf das Geschrei hin am Fenster des oberen Turmzimmers erschienen und starrte mit wildem Entsetzen auf Braden.
„Verflucht! Wachen! Torwächter! Wie kam der Kerl in die Burg?“
„Gib dich geschlagen, Graham“, rief Braden nach oben. „Der Turm ist in meiner Hand!“
Graham hatte sich wieder gefasst, zumal er seine Getreuen aus allen Richtungen herbeiströmen sah – man würde mit den wenigen Eindringlingen rasch fertig sein.
„Packt ihn!“, brüllte er seinen Männern zu. „Ich will ihn lebend.“
Doch das war leichter gesagt als getan, denn einem Kämpfer wie Braden MacDean war keiner der Ritter gewachsen. In Scharen drangen sie von allen Seiten auf ihn ein, wurden zurückgeworfen, versuchten es aufs Neue und standen sich gar selbst bei ihren verzweifelten Angriffen im Wege. Zugleich stieß nun Druce mit dem Rest der Getreuen zu Braden, und die beiden Freunde fochten Seite an Seite, schützten sich gegenseitig vor den Angreifern und teilten mächtige Schläge aus.
„Verfluchte Feiglinge!“, schimpfte Graham oben am Fenster. „Habt ihr all eure Kräfte versoffen und verhurt? Schlagt zu!“
Inzwischen war der Lärm in der ganzen Burg hörbar, aus allen Gebäuden eilten Knechte und Mägde herbei. Auch die Wächter, die vor der Halle gestanden hatten, verließen ihre Posten, um nachzuschauen, was geschehen war.
„Nieder mit Graham MacBoyll!“, hörte man Bradens laute Stimme über den Burghof schallen. „Wir kämpfen für Marian!“
Das Getümmel wurde immer dichter, einer der Knechte hatte die verriegelten Tore der Halle geöffnet, andere brachten Waffen herbei, und die Getreuen von David MacAron mischten sich in den Kampf, froh, sich für den hinterhältigen Überfall rächen zu können.
Graham wurde es unbehaglich, er befahl seinen Rittern, den Turm zu verteidigen, eilte nun selbst zu seinen Waffen und stellte sich den Eindringlingen entgegen. Doch die Männer, die nun unter Bradens Führung in den Turm eindrangen, waren kaum aufzuhalten.
„Du bekommst sie nicht!“, schrie Graham, rot vor Zorn, als Braden auf der Turmtreppe erschien und die Verteidiger mit mächtigen Stößen zurückdrängte.
„Lieber töte ich sie, als dass ich sie dir lasse!“
Er wandte sich zur Flucht, verschwand im oberen Turmzimmer und verriegelte die Tür. Gleich darauf hörte Braden Marians schrillen Hilferuf, und die Angst um sie verlieh ihm fast übermenschliche Kräfte.
„Marian! Ich komme!“
Er warf sich gegen die Tür, spürte einen stechenden Schmerz in der Schulter, doch er achtete nicht darauf, sondern rannte aufs Neue gegen das Hindernis an. Holz splitterte, der Riegel brach, und Braden stürzte in den Raum.
„Marian!“
Sie stand vor ihrem Lager, das Gewand über der Brust zerrissen, das lange Haar gelöst und starrte ihn mit weit geöffneten, entsetzten Augen an. Vor ihr auf dem Boden lag Graham MacBoyll in einer Blutlache.
Braden verharrte unbeweglich, konnte nicht fassen, was sie getan hatte, sah in ihre erschrockenen Augen und dann wieder hinunter auf den leblosen Körper.
„Es ging so schnell“, stammelte sie. „Ich wollte ihn doch nicht töten. Wer denkt denn auch, dass er gleich umfällt, wenn man ihm einen Schemel über den Kopf haut …“
„Einen Schemel …?“, sagte Braden heiser.
Dann erst sah er die zerborstenen Holzreste auf dem Fußboden liegen und atmete tief ein und aus.
Unten auf dem Burghof hörte man Druce’ jubelnde Stimme:
„Sieg! Die Burg ist unser! Nieder mit Graham MacBoyll!“
Schon am folgenden Morgen zog Graham MacBoyll mit seinen Rittern aus der Burg, von den Siegern mit Steinen und Unrat beworfen und mit Hohn verabschiedet.
„Such dir woanders eine Braut, krummbeiniger Teufel!“
„Schaut, wie schief er auf seiner Mähre hängt!“
„Unsere Herrin hat einen harten Schlag am Leibe!“
„Weiß Gott – sie ist eine MacAron!“
Graham war eine Weile besinnungslos gewesen, dann hatte er sich langsam aufgerichtet, und noch langsamer war ihm zum Bewusstsein gekommen, dass die Lage sich gedreht hatte. Er war es, der
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