Die Gefangene des Highlanders
das Land der MacDeans, um das Schicksal seiner Pächterfamilien, für die er jetzt als Clanchief verantwortlich war.
Als er jetzt wieder seine Stimme erhob, waren seine Anweisungen kurz und gut überlegt. Späher sollten nach allen Richtungen ausgesandt werden, um ankommende Reiterscharen frühzeitig zu melden. Vor dem grob aufgeschichteten Wall würde ein zweiter entstehen, der fest und gut ineinander gefügt war. Einer der schlanken, jungen Kerle sollte in den verschütteten Brunnenschacht steigen und die Steinbrocken an Seilen befestigen, die von anderen hinaufgezogen würden. Dazu wurde ein Unterstand für die Verwundeten errichtet und mit Häuten abgedeckt, um sie vor dem strömenden Regen zu schützen.
„Und noch etwas“, fügte er hinzu, als einige schon tatendurstig davonlaufen wollten. „Seht euch vor MacArons Leuten vor, wenn ihr unterwegs seid. Wer immer hierher auf die Burg kommt oder wieder zurück in sein Dorf geht – der soll es im Schutz der Dämmerung tun. Frauen will ich hier nicht sehen, sie sollen zu Hause bleiben, die Verteidigung der Burg ist Männersache.“
Die wenigen Frauen, die den Weg zur Ruine gewagt hatten, nahmen diesen Befehl mit großem Bedauern auf. Gar zu gern wären einige von ihnen in der Nähe des schönen Braden geblieben, der zusätzlich zu seinen aufregenden Muskelpaketen auch von dem Hauch des düsteren, stahlharten Kämpfers umgeben war. Man hatte sich Wunderdinge über seinen Wagemut am frühen Morgen zugeflüstert. Ganz allein habe er sich drei bestens gerüsteten Rittern entgegengestellt, nur mit einer hölzernen Lanze habe er ihre Schwerter abgewehrt, sie durch seine gewandten Sprünge und Finten zum Narren gehalten, die kräftigen Männer endlich mit wenigen Fausthieben zu Boden geschlagen und den Wall hinuntergestoßen.
Während Bradens Helfer sich voller Eifer ihren verschiedenen Aufgaben zuwandten und trotz des heftigen Regens lautes Treiben um die Turmruine herrschte, hockte Marian in der engen Unterkunft und war der Verzweiflung nahe. Man hatte ihr das Kind weggenommen und es neben Aisleen auf das frisch gemachte Lager gelegt, dort hatte das winzige Baby eine Weile gequengelt und war dann eingeschlafen. Aisleen hatte sich von dem Kind weggedreht, zusammengerollt lag sie auf der Seite, starrte die Steinmauer an und regte sich nicht. Auch Marian war – erschöpft von der durchwachten Nacht – für eine Weile eingeschlummert. Sie war aufgewacht, weil das Baby zu weinen begann.
„Warum nimmst du es nicht zu dir? Es wird frieren.“
Wieder hatte Aisleen zuerst nichts geantwortet, doch Marian war hartnäckig und ließ ihr keine Ruhe.
„Nimm du es doch“, knurrte Aisleen endlich.
„Ich kann nicht. Meine Hände sind gefesselt. Verdammt – jetzt nimm endlich dein Kind zu dir und lass es trinken. Willst du es verhungern und erfrieren lassen?“
„Ist mir egal, was mit ihm geschieht.“
„Du bist ja nicht bei Verstand!“, schimpfte Marian aufgebracht. „Was kann denn dieses kleine Wesen dafür, dass sein Vater ein elender Mistkerl ist?“
Aisleen drehte sich auf den Rücken und streckte stöhnend die Beine aus. Ihr Gesicht war schweißbedeckt und gerötet, die Augen schienen sehr groß und von dunklen Rändern umgeben, die Unterlippe war angeschwollen.
„Ein Mädchen“, sagte sie leise und verachtungsvoll. „Wer soll es ernähren? Swan ist selbst noch ein halbes Kind, und unser Großvater ist krank und schwach. Unsere Hütte ist verbrannt, unser Land hat dein Vater uns genommen. Kannst du mir sagen, wer für dieses Kind sorgen soll?“
Marian schnaubte verärgert, um ihre Betroffenheit zu verbergen. Es waren die Ritter ihres Vaters, die dieses Unrecht getan hatten, das tat weh. Sie liebte ihren Vater trotz seiner Strenge und der Zornesausbrüche, und es war schwer einzusehen, dass David MacAron so grausam an diesem Mädchen gehandelt hatte.
„Meine Güte“, rief sie aus. „Es wird sich schon einer finden. Du bist jung und kräftig, und hässlich bist du auch nicht …“
Sie hörte ein halbersticktes Lachen und erschrak, denn es trug kalte Verzweiflung in sich.
„Wer, glaubst du, wird eine wie mich noch nehmen? Eine, die ein Kind der MacArons großzieht? Ein Mädchen noch dazu.“
„Was, zum Teufel, hast du dagegen, dass es ein Mädchen ist?“
Jetzt stützte sich Aisleen mit den Händen ab und richtete sich zum Sitzen auf. Ihr aufgelöstes Haar hing ihr wirr über Gesicht und Schultern, und ihre Augen glänzten fiebrig, als sie zu
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