Die Gefangene des Highlanders
Bastard. Bring es weg!“
„Rühr es nicht an, sonst kratze ich dir die Augen aus“, kreischte Marian und riss das Kind an sich. „Sag ihr, sie soll es aufziehen. Befiehl es ihr, du bist ihr Bruder!“
Swan glotzte von einer zur anderen, sein Gesicht drückte Angst und tiefe Hilflosigkeit aus. Was wollten denn diese Weiber nur von ihm? Warum zerrte man ihn hierher, was sollte er eigentlich tun?
Draußen war Unruhe unter den Männern entstanden, Rupert schob sich hastig durch den Eingang und beugte sich über seine Tochter um sie zu beruhigen. Doch als er ihre Hände fasste, wehrte Aisleen sich so verzweifelt, als habe er sie schlagen wollen.
„Nimm es weg und bring es in den Wald“, schrie sie und stieß ihren Vater mit aller Kraft von sich. „Wirf es in den See. Ins Moor … Es soll nicht leben, es kann nicht leben …“
Plötzlich riss stieß jemand die Bretter zur Seite, die noch vor dem Eingang standen, und eine tiefe Stimme füllte den kleinen Raum.
„Was ist hier los?“
Braden war eingetreten, ärgerlich über die Unterbrechung der Arbeiten und den Tumult, sein großer Körper dampfte vor Feuchtigkeit, das nasse, blonde Haar klebte an seiner Stirn. Für einen Augenblick stand er so dicht vor Marian, dass ihr Herz vor Schreck stolperte.
„Sie wollten das Kind im Wald aussetzen“, sagte sie und hörte wie ihre Stimme dabei bebte. „Aber bevor das geschieht, müsst ihr mich umbringen. Ich lasse das nicht zu.“
Braden starrte sie an, schien sie mit dem Blick seiner eng zusammengekniffenen, grauen Augen durchbohren zu wollen, und für einen Moment glaubte sie, er wolle über sie herfallen, um ihr das Bündel mit dem Säugling zu entreißen. Dann, unvermittelt, wandte er sich ab und trat zu Aisleen, die wie versteinert auf ihrem Lager hockte und angstvoll zu ihm aufsah.
„Hör zu, Aisleen“, sagte er langsam und mit ruhiger Stimme. „Dieses Mädchen wird meine Tochter sein, und ich werde für sie sorgen, so lange ich lebe. Wer immer es wagen sollte, dich oder dein Kind zu missachten, den werde ich zur Rechenschaft ziehen. Dies schwöre ich dir hier in Gegenwart deines Großvaters und deines Bruders.“
Er wartete nicht darauf, wie Aisleen diese Worte aufnehmen würde, sondern drehte sich um und ging eilig hinaus. Die Arbeiten duldeten keinen Aufschub.
Erst nach einer Weile wagte Marian, das Kind in Aisleens Arme zu legen. Sie nahm es vorsichtig wie ein zerbrechliches Gefäß, wusste zuerst kaum, wie sie es halten sollte und brauchte all ihren Mut, um es endlich anzusehen.
Kapitel 5
Am Nachmittag hörte es auf zu regnen, die Wolkendecke riss auf, und für eine kurze Weile ließ sich die Sonne blicken. Die nassen, schwitzenden Männer nahmen die Wetteränderung mit Erleichterung auf, man trocknete die feuchten Gewänder, rieb mit Tüchern über Haar und Bärte und kippte das Regenwasser aus, das sich in den Häuten über dem Unterstand angesammelt hatte. Die Kunde, dass der Brunnenschacht endlich von allem Geröll befreit sei, wurde mit zufriedenem Murmeln aufgenommen, auch die Arbeiten an dem zweiten, gut befestigten Wall kamen rasch voran. Allerdings würde es noch Tage, wenn nicht Wochen dauern, bis diese Mauer hoch genug war, um der Burg ausreichenden Schutz zu bieten.
Diejenigen, die schon seit dem gestrigen Tag hier waren und am Morgen mitgekämpft hatten, waren nun vollkommen erschöpft. Trotz Bradens Anordnung hatten die meisten von ihnen – getragen von der Begeisterung ihres Sieges – keine Ruhepause eingelegt, jetzt knickten ihnen die Beine weg, Schlafmangel und harte Anstrengungen forderten ihren Tribut.
Braden hatte dieses Problem kommen sehen, doch nicht verhindern können. Jetzt kam es darauf an, die Arbeiten mit den noch frischen Kräften so weit wie möglich voranzutreiben, dabei aber auch jederzeit auf einen erneuten Angriff vorbereitet zu sein. Er ließ die Wächter in regelmäßigen Abständen auswechseln, auch die Späher, die in den Wäldern postiert waren, wurden ausgetauscht – ein feindlicher Trupp, der unbemerkt zur Burg gelangte, hätte für alle den Tod bedeutet.
Braden selbst spürte noch keine Müdigkeit, obgleich er seit vielen Stunden kein Auge geschlossen hatte. Aufmerksam ließ er immer wieder den Blick über die weiten Heideflächen zu Füßen der Burg schweifen, beobachtete den ruhig daliegenden See und behielt auch den Waldrand im Auge. Feine, durchsichtige Schleier lagen über dem Wald, die Sonne leckte die Wassertropfen von dem feuchten Laub und
Weitere Kostenlose Bücher