Die Gefangene des Highlanders
gebückt, als misstraue er seinem gekrümmten Rücken, dann richtete er sich zu voller Größe auf und ging langsam davon. Die Männer vermieden es, zu ihm hinüberzusehen, denn der Anblick seines Siechtums war bedrückend. David MacAron war noch vor wenigen Jahren ein stattlicher Recke gewesen, der das Schwert kräftig zu führen wusste und dem kein Pferd zu wild gewesen war. Aber seit dem Tod seines Sohnes war es bergab mit ihm gegangen, und jetzt schien es nur noch eine Frage der Zeit, bis der alte Clanchief endgültig an sein Lager gefesselt war.
Als David aus der Halle trat, musste er den Mantel über den Kopf ziehen, denn es regnete draußen in Strömen. Ganze Sturzbäche flossen von dem Strohdach der langen Halle hinab, sammelten sich zu Rinnsalen zwischen den Steinen, mit denen der Hof gepflastert war, und flossen entlang der tief eingekerbten Wagenspuren zum Burgtor hinaus. Der Alte hatte Mühe, über die nassen Fluten hinwegzusteigen ohne auszugleiten; als ihn jedoch eine helfende Hand am Arm fasste, riss er sich ärgerlich los.
„Was soll das?“, fuhr er Flora an. „Bin ich ein Jammergreis, dass du mich führen musst?“
Sie hatte ein Plaid über das Haar gezogen, Regenwasser lief ihr Stirn und Wangen hinab und tropfte von ihrem Kinn. Flora war einmal eine schöne, junge Frau gewesen, er hatte um sie gekämpft und war stolz darauf gewesen, sie errungen zu haben. Jetzt lagen Schatten auf ihren Wangen, und die braunen Augen hatten ihren Glanz verloren.
„Fia liegt im Fieber“, sagte sie leise. „Seit gestern, als Marian nicht zurückkam, ist sie nicht mehr von ihrem Lager aufgestanden. Wir sollten die alte Sorcha holen, David.“
Er machte eine ungeduldige Bewegung und wandte das Gesicht ab.
„Die verfluchte Hexe setzt keinen Fuß mehr in diese Burg. Kümmere dich selbst um Fia. Koche ihr irgendeinen Trank, der sie stärkt.“
Flora sparte sich die Erwiderung, dass sie seit Monaten nichts anderes tat. Es schmerzte sie, dass ihr Mann die jüngere Tochter kaum mehr beachtete, ja, er benahm sich fast so, als sei sie nicht mehr da. David hatte schon immer die lebhafte und fröhliche Marian bevorzugt, seit durch Fias heimliches Treffen mit Robin jedoch ihr Bruder Ewan so unglücklich zu Tode gekommen war, schien David MacAron seine jüngere Tochter vollkommen abgeschrieben zu haben
„Sie redet ständig wirres Zeug vor sich hin, David“, beharrte sie und griff wieder seinen Arm. „Und sie hat nach dir gerufen.“
„Ich habe anderes zu tun“, wehrte er ab und zerrte an seinem Arm. „Marian ist in der Gewalt von Braden MacDean, Flora.“
Flora wusste längst davon, denn die heimgekehrten Krieger hatten es den Frauen erzählt, die sich um ihre Verwundungen kümmerten. Sie biss sich auf die Lippen, denn sie wusste nur zu gut, dass sie eher einen Berg versetzen, als David MacAron von einer gefassten Absicht abbringen konnte. Dennoch trieb die Sorge um Marian sie dazu, es zu versuchen.
„Was willst du tun, David?“
Er sah ihr ins Gesicht, Überraschung in den Zügen. Was für eine Frage? Nur ein Weib konnte sie stellen.
„Ich werde Braden töten und Marian zurückholen. Was sonst?“
Sie hatte nichts anderes erwartet, der Hass in seinen Augen bestätigte ihr, dass er seine Absicht ausführen würde. Wie fremd er ihr geworden war in den letzten Jahren, er schien nur noch für diesen Hass zu leben, der seinen Körper langsam verzehrte.
„Warum gibst du ihm Marian nicht zur Frau? Die beiden sind ohnehin miteinander verlobt, und Braden ist schließlich an all diesem Unglück nicht Schuld gewesen …“
Er stieß sie so fest zurück, dass sie taumelte und um ein Haar auf das Hofpflaster gestürzt wäre. Ohne sie einer Antwort zu würdigen, humpelte er durch das Burgtor, hielt sich einen Augenblick an einem Pfosten fest und überquerte dann die hölzerne Zugbrücke. Sie stand mit hängenden Armen da, unglücklich in ihrer Hilflosigkeit, das drohende Unheil zu verhindern und starrte ihm nach, bis er im dichten Regen verschwand. Sie wusste, wohin der Weg ihn führte.
Der Stein auf Ewans Grab war schon an einigen Stellen mit Moos überwachsen, was den alten MacAron immer wieder aufbrachte. Er ließ sich mühsam auf die Knie nieder, spürte den Schmerz in seinen Knochen und die Nässe, die seine Beinlinge durchdrang, doch er kratzte hartnäckig den grünlichen Belag von dem weißen Fels, auf dem der Name seines einzigen Sohnes eingegraben war. Hier lagen all seine Hoffnung und sein Glück im
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