Die Gefangene des Highlanders
Schoße der kalten, feuchten Erde. Der Junge mit dem flammend roten Haar, dem er das erste Schwert aus einem Stück Holz geschnitzt hatte. Der aufmüpfige Bursche, der gegen den Willen des Vaters auf den Rücken des Hengstes kletterte, stürzte, und dazu ein paar kräftige Ohrfeigen erhielt. Der junge Mann, der so rasch aufbrausen konnte und so schnell mit seinem Urteil bei der Hand war. Der so still und blass vor ihm gelegen hatte, als der Vater die letzte Nacht bei ihm wachte.
David MacAron hatte lange Stunden an diesem Grab verbracht, hatte sich gefragt, ob er zu hart zu seinem Sohn gewesen war, hatte sich vieles in Erinnerung gerufen, manches bereut, einiges verflucht. Immer hatte am Ende der Zorn gesiegt, der heiße Wunsch nach Rache und Vergeltung für diesen Verlust.
Er würde eine List anwenden müssen, um Braden zur Stecke zu bringen. Nur so konnte es gelingen.
***
Auf der Ruine der ehemaligen Burg der MacDeans herrschte reges Treiben, das auch der strömende Regen kaum beeinträchtigte. Die Nachricht von dem überwältigenden Sieg über MacArons Ritter hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, war von Dorf zu Dorf, von Gehöft zu Gehöft getragen worden und überall mit heller Begeisterung aufgenommen worden. Braden MacDean war zurück, es gab wieder einen Clanchief, und er hatte schon im ersten Kampf mit den MacArons gezeigt, was in ihm steckte. Die Alten erinnerten an Bradens Großvater, den mächtigen Chief Stryder MacDean, dessen Taten noch in aller Munde waren. Damals hätte kein MacAron gewagt, auch nur einen Fuß in sein Land zu setzen, und man hatte in Wohlstand und Zufriedenheit gelebt. Braden war aus dem gleichen Holz geschnitzt, er würde sich sein Land zurückholen und den alten David MacAron das Fürchten lehren. Und sie alle würden mit ihm in den Kampf ziehen, lange genug hatten sie unter der harten Pacht und den Gräueltaten der MacDeans gelitten.
Immer neue Gruppen von Männern erschienen bei der Ruine, besahen neugierig den schlecht aufgeschichteten Wall, brachten Lebensmittel, Decken, Felle und Kleider, wickelten sogar heimlich verborgen gehaltene Dolche aus schmutzigen Lumpen, rostige Dinger, die nicht viel taugten, aber immer noch besser als geschnitzte Lanzen waren. Sogar einige Frauen wagten sich herbei, musterten die Anlage, starrten bewundernd auf die hohe, kräftige Gestalt des jungen Clanchiefs, und die jüngeren unter ihnen bekamen glänzende Augen.
„Wie sehr er sich verändert hat“, flüsterte man. „Ein Mann ist er geworden, seht doch, seine breiten Schultern und seinen sehnigen Rücken. Und wie ernst er dreinschaut, ich glaube fast, er hat das Lachen ganz und gar verlernt.“
Braden war in der Tat nicht zum Lachen zumute, stattdessen versuchte er den Siegestaumel seiner Leute in Grenzen zu halten.
„Wir haben uns tapfer geschlagen, aber glaubt ja nicht, dass wir schon gewonnen hätten. Die wenigen Ritter, die wir an diesem Morgen besiegt haben, waren nur ein kleiner Teil der Kämpferschar, die David MacAron zur Verfügung steht. Sie werden wiederkommen, soviel ist sicher.“
„Wir werden sie empfangen“, brüllte Swan aufgeregt. „Genau so wie heute früh werden wir ihnen den Garaus machen.“
„Nein“, entgegnete Braden ruhig und sah dabei in die Runde der Männer, deren Augen voller Ehrfurcht an ihm hingen, als verkünde er das Evangelium. „Den nächsten Angriff wird David MacAron sorgfältig vorbereiten. Er weiß, dass wir schlechte Waffen haben und dass unser Wall brüchig ist. Er weiß auch, dass wir hier oben kein Wasser haben, denn seine Männer haben damals den Brunnen zugeschüttet.“
„Wir haben Waffen erbeutet“, wandte einer der Männer ein.
„Wir können den Brunnen wieder freilegen“, schlug Rupert vor. „Swan und ich haben damit begonnen, aber die Arbeit war zu schwer für meine alten Knochen. Jetzt aber sind wir viele!“
„Drunten am See ist ein Schmied, der wartet nur darauf, für Braden MacDeans Kämpfer die Schwerter zu schmieden!“
Braden sah mit leuchtenden Augen um sich und nickte den Sprechern anerkennend zu. Da standen sie, seine Helfer und Freunde. Ihre Kittel waren abgerissen, die Schuhe zerfetzt, ihre Waffen lächerlich. Aber die Begeisterung, die aus ihren Gesichtern sprach, wog alles auf. Seit langer Zeit spürte Braden wieder, dass er für eine gerechte und gute Sache kämpfte, dass das Ziel, für das er sein eigenes Leben und das seiner Männer einsetzte, dieses Wagnis wert war. Es ging um sein Erbe,
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