Die Gefangene des Highlanders
vorüber, kaum waren die Tritte der kleinen Hufe zu vernehmen, dann hatte der neblige Wald sie wieder verschluckt.
Braden überlegte angestrengt, was der alte MacAron wohl planen könnte. Wollte er tatsächlich mit ihm über eine Beilegung des Streits reden? Sicher war, dass er seine Tochter zurückhaben wollte. Dass er ihm, Braden, dafür sein Land geben wollte, schien eher unwahrscheinlich. Viel eher war ihm zuzutrauen, dass er Braden durch falsche Versprechungen in Sicherheit wiegen würde, um dann über ihn herzufallen sobald Marian sich wieder daheim auf der Burg der MacArons befand. Er würde verdammt vorsichtig sein müssen und Marian vorläufig auf keinen Fall aus der Hand geben.
Aber was, zum Teufel, hatte es mit dem Kreuzstein auf sich?
Plante der alte MacAron einen Hinterhalt? Braden konnte diese Möglichkeit nicht ausschließen, er hatte den Alten gesehen, seine Verbitterung und seinen unbändigen Hass zu spüren bekommen. Und dennoch wollte er nicht an solch einen hinterlistigen Verrat glauben. Er hatte Lüge und Heimtücke auf seiner Fahrt ins Heilige Land zuhauf erfahren, hatte erlebt, wie heilige Schwüre und edle Versprechen gebrochen wurden, hatte Unschuldige sterben und Verräter triumphieren sehen. Tief in ihm lebte dennoch die Hoffnung, dass hier, in den Highlands, in seiner Heimat, noch Menschen lebten, die Ehre und Recht respektierten.
Je weiter sie nach Westen vorstießen, desto lichter wurde der Nebel, bis er nur noch als weicher, milchiger Hauch über dem Waldboden schwebte. Sie näherten sich ihrem Ziel, dem Kreuzstein.
Braden gab seinen Begleitern einen Wink, und man stieg von den Pferden, um geräuschlos die Lage zu erkunden. Auf der Lichtung erhob sich ein grauer Felsen, der in einer schmal geformten Zacke gen Himmel wies, deutlich war an einer Seite das mannslange, eingekerbte Kreuz zu erkennen.
Vor dem Fels lagerten David MacArons Ritter, in lange Gewänder aus gutem Tuch gekleidet, kurze Dolche in ledernen Scheiden an ihren Gürteln. Jeder von ihnen hatte ein sorgsam geschliffenes, glänzendes Schwert neben sich im Gras liegen. Sie saßen im Halbkreis zu dem Felsen, in ihrer Mitte, den Rücken an den Fels gelehnt, hatte ein alter Mann auf einem niedrigen Stein Platz genommen. Man konnte David MacAron ansehen, dass das Sitzen auf dem harten Untergrund ihm Schmerzen bereitete, denn er zog ein ums andere Mal die Beine an sich, um seine Knie mit den Händen zu massieren.
Der Wald in der Umgebung der Lichtung schien menschenleer, Braden und seine Begleiter entdeckten nur die Pferde der MacArons, die in einiger Entfernung angebunden worden waren. Niemand bewachte die Tiere, David MacAron hatte sich an sein Versprechen gehalten: Zehn Ritter sollten ihn begleiten. Braden war zufrieden. Er sammelte seine Männer um sich, gab ihnen leise Anweisungen und betrat dann mit ihnen die Lichtung.
Die Ritter erhoben sich ohne Hast, fast schien es, als hätten sie gewusst, dass man sie bereits heimlich in Augenschein genommen hatte. Sie maßen Braden und seine Begleiter neugierig mit Blicken, besahen geringschätzig die kurzen Kittel und Beinlinge, die Bradens Getreue als Bauern auswiesen, und schienen überrascht, dass ihre Zahl geringer als erwartet war. Immer noch bildeten sie einen schützenden Halbkreis um ihren Clanchief, der auf dem Stein sitzen geblieben war. Niemand nahm Anstoß daran – man wusste, dass der alte MacAron Schwierigkeiten hatte, auf die Beine zu kommen.
„Du kommst spät, Braden“, ließ sich die krächzende Stimme des Alten vernehmen. „Fast glaubte ich schon, du wärest aus Angst vor uns auf deiner Burg geblieben.“
„Willst du um einen Frieden verhandeln oder neue Zwietracht säen?“, fragte Braden zurück, verärgert über diese höhnische Anrede.
„Ganz wie du willst, Braden“, gab David MacAron zurück und rieb seine Knie. „Der Friede ist ein kostbares Gut und soll dem gehören, der ihn verdient.“
Braden stellte fest, dass die zehn Ritter jetzt unruhige und gespannte Blicke auf ihren Herrn warfen, so als erwarteten sie seine Befehle. Er hatte kein gutes Gefühl.
„Es ist Sitte, Verhandlungen unbewaffnet zu führen“, bemerkte er. „Sag deinen Männern, sie sollen Schwerter und Dolche ablegen, wir werden es genau so halten.“
Auf den Gesichtern der Ritter spiegelte sich Unwillen, doch der Clanchief zeigte sich mit dem Vorschlag einverstanden. Auf sein Kopfnicken hin machten sich die Männer daran, ihre Waffen einige Schritte vom Fels entfernt
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