Die Gefangene des Highlanders
gewickelt hatte, aus dem nur die groben, staubigen Schuhe hervorsahen.
Druce’ Hand, die einen Zweig hinabdrückte, begann zu erlahmen.
Ich bin ein Dummkopf, dachte er und zog sich hinter einen dicken Stamm zurück. Habe ich wirklich geglaubt, Fia würde auf dem Hof stehen, damit ich ihr zuwinken kann?
Sie würde sich im Inneren der Burg aufhalten, vermutlich im Wohnturm ihres Vaters, dort, wo die schmalen, nach außen hin sich verengenden Fensterchen keinen Einblick ins Innere des Gebäudes zuließen. Fia war krank gewesen, vielleicht lag sie auch jetzt noch fiebernd auf ihrem Lager? Oder war sie vielleicht gar inzwischen …
Die Vorstellung, das schmale, blasse Mädchen könne nicht mehr am Leben sein, ließ seine Angst noch weiter anwachsen, und er grübelte verzweifelt darüber nach, wie er in die Burg gelangen könnte.
Wenn er bis zum Abend wartete, um dann im Schutz der Dunkelheit über die Mauer zu steigen? Ungesehen in den Turm einzudringen, die Treppen hinaufzusteigen, an ihrem Lager niederzuknien …
Du bist vollkommen verrückt, Freund, dachte er und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Bei deiner Figur werden die Wächter dich schon entdeckt haben, bevor du überhaupt die Mauer erreichst. Von wegen in den Turm eindringen und an ihrem Lager niederknien: Wenn sie mich bärtigen Krauskopf so plötzlich im Dunklen vor sich sieht, wird sie glauben, ein Waldgeist wolle sie holen und sich zu Tode erschrecken. Nein – so geht es nicht.
Ob er sich einfach verkleiden könnte? Als Bauer? Als fremder Kaufmann? Als frommer Pilger?
Alles Blödsinn. Man würde ihn sofort erkennen.
Er ging zu seinem Pferd, das er ein Stück entfernt am Fuß des Hügels angebunden hatte, sicherte vorsichtig die Gegend und hockte sich ins Gras. Es widerstrebte ihm, unverrichteter Dinge wieder zurückzureiten, nun, da er es ungesehen bis zur Burg geschafft hatte.
Er stützte die Ellenbogen auf die angewinkelten Knie, legte den Kopf in die Hände und seufzte tief. Ach wenn Braden jetzt doch bei ihm wäre, der hätte sicher eine Lösung gewusst. So war es immer gewesen, als sie gemeinsam im Heiligen Land gekämpft hatten. Braden hatte einen besseren Kopf als er, ihm fielen die Ideen nur so zu, schienen sich wie Bienen in seinem Hirn zu tummeln, während bei ihm, Druce, gähnende Leere im Schädel herrschte, sobald er einen rettenden Einfall benötigte.
Je länger er hier saß und grübelte, desto stärker quälte ihn das schlechte Gewissen seinem Freund Braden gegenüber. Es war nicht richtig, eigene Wege zu gehen und sich sogar in Lebensgefahr zu begeben, solange sein Freund und Waffenbruder noch auf seine Hilfe angewiesen war. Braden hatte gestern früh zum ersten Mal vernünftige Sätze gesprochen, gegessen und getrunken und einen Versuch gemacht, sich vom Lager zu erheben. Es war ihm tatsächlich gelungen, einige Schritte zu tun, er war hinaus auf den Burghof gestakst, um die neuen Bauten zu bewundern, dann aber hatte er sich auf den nächstbesten Steinbrocken setzen müssen, denn ihm war schwarz vor Augen geworden. Nun – gegen Mittag hatte er bereits einen Rundgang über das Burggelände gewagt, und am Abend hatte sie alle gestaunt, welchen Appetit er entwickelte. Ohne Zweifel würde er bald wieder bei Kräften sein.
Die arme Marian, die ihn tage- und nächtelang gepflegt hatte, schien inzwischen vollkommen erschöpft zu sein. Sie hatte sich in eine Ecke des Burghofs verzogen, dicht bei der Mauer und lag dort seit gestern früh völlig bewegungslos, in eine Decke gewickelt und vermutlich in tiefem Schlaf. Als es gestern Mittag zu regnen begann, hatten einige der Männer mit Pfosten und Häuten ein Dach über die Schlafende gebaut, das Braden mit missbilligendem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen hatte.
„Werden ihre verrückten Wünsche jetzt schon erfüllt, ohne dass sie sie überhaupt ausspricht?“
Druce hatte ihm daraufhin verschiedene Dinge erklären wollen, doch Braden war in den Turm zurückgekehrt und hatte dort sofort begonnen, einigen Pächtern seine Pläne darzulegen. Er bot ihnen an, ihre Söhne auf seiner Burg erziehen zu lassen und sie im Waffengang auszubilden. So würde aus ihnen die neue Ritterschaft der MacDeans hervorgehen, die das Gebiet gegen alle Nachbarn und Feinde schützen und seinen Pächtern einen dauerhaften Frieden bringen würde.
Natürlich hatte Druce versprochen, bei der Ausbildung der jungen Burschen mitzuwirken. Dieses Versprechen würde er halten, er hatte
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