Die Gefangene des Highlanders
Spaß daran, mit jungen Leuten umzugehen. Während des Abendessens hatte Braden sich erregt, dass die Pächter und Bauern nur von „Lady Marian“ redeten, hatte eine Weile über diese naiven Dummköpfe geschimpft, doch als Druce gerade zu einer umständlichen Erklärung ausholte, hatte sich Braden todmüde auf sein Lager geworfen und war sofort eingeschlafen.
Druce hatte ihn schlafen lassen. Braden würde seine Kräfte brauchen, und zum Reden würde immer noch Zeit sein.
Hoffentlich!
Besorgt hob er den Kopf, als ein Windstoß durch die Zweige der Eichen rauschte und sein Pferd unruhig die Mähne schüttelte. Wenn er so dumm war, sich von David MacArons Leuten fangen zu lassen, würde er seinen Freund verraten und – das war fast noch schlimmer – auch vor Fia ein ziemlich lächerliches Bild abgeben.
Noch einmal erstieg er die Kuppe des kleinen Hügels, duckte sich ins Gebüsch und spähte zur Burg hinüber. Die Sonne stand bereits tief am Himmel, und die Mauern warfen lange Schatten über den Burghof, so dass nur noch ein schmaler Streifen des Hofpflasters im Licht glitzerte. Dorthin hatte sich jetzt der schwarz-weiße Hund verzogen, lang ausgestreckt lag er in der späten Nachmittagssonne um sein Fell zu wärmen.
Druce verspürte ein Gefühl tiefster Verzweiflung. Fia war so nah! Nur wenige Minuten hätte er gebraucht, um mit seinem Pferd zur Burg hinüberzugaloppieren, über den Hof zu laufen und den Turm zu ersteigen. So einfach war es, zu ihr zu gelangen. Und genau so tödlich.
Die hölzerne Pforte des Wohnturms öffnete sich, und hinaus traten zwei Mägde, die Körbe mit irgendeinem braunen Zeug trugen, hinter ihnen erschien die alte Frau im grünen Tuch. Druce kniff die Augen zusammen und konnte es sich gerade noch verkneifen, durch die Zähne zu pfeifen. Er kannte die Alte! Das war Sorcha, die Fia von der verfrühten Geburt geheilt und auch anderen Mitgliedern der Familie geholfen hatte. David MacAron hatte sie eine alte Hexe gescholten und nicht mehr auf der Burg haben wollen, weil sie voraussagte, Fia würde niemals wieder ein Kind gebären können. Aber ganz offensichtlich hatte er sich inzwischen wieder eines anderen besonnen.
Sorcha sagte einige kurze Sätze zu den beiden Mägden, dann schlug sie eine Ecke des zerfetzten, grünlichen Tuchs über den Kopf und wandte sich zum Tor, um die Burg zu verlassen. Während sie unbehelligt an den Wächtern vorüberging, spürte Druce, wie sein Pulsschlag sich beschleunigte. Sorcha war ganz sicher bei Fia gewesen – sie würde wissen, wie es ihr ging, was sie benötigte, ja, vielleicht hatten sie sogar über ihn gesprochen.
Er schob sich durchs Unterholz, schwang sich auf sein Pferd und ritt vorsichtig den Hügel hinab. Hinter seinem Rücken stand die Sonne bereits als gelbglühende Scheibe über den Eichen, bald würde sie über die Hügel rollen und im rosigen Himmelsteich versinken. Es kam jetzt darauf an, den rechten Moment abzupassen.
Er blieb versteckt und wartete, bis er die alte Frau auf dem Waldpfad entdeckte, ritt dann in einem kleinen Umweg voraus, verlor sie dadurch aus den Augen und hoffte inständig, sie würde den Pfad inzwischen nicht verlassen. Er hatte Glück, nach einer kleinen Weile entdeckte er ihre schmale, ein wenig gebückte Gestalt wieder zwischen den knorrigen Stämmen. Sorcha ging stetig und für ihr Alter sehr rüstig voran, wandte sich weder zur Seite noch nach rückwärts und schien ganz und gar ihren Gedanken nachzuhängen.
Erst als sie eine gute Strecke von der Burg entfernt waren, wagte er es, zu ihr aufzureiten.
„Hab keine Sorge“, sagte er mit halblauter Stimme. „Ich will dir nichts tun, Sorcha.“
Sie blieb angesichts des plötzlich hinter ihr auftauchenden Reiters erstaunlich gefasst. Mit einer langsamen Bewegung schob sie das Tuch, das ihr Gesicht halb bedeckte, ein wenig zur Seite, und Druce konnte sehen, dass sie ihn angrinste.
„Druce MacMorray“, sagte sie. „Ich habe mir gedacht, dass du es bist. Wer sonst sollte die ganze Zeit um mich herumschwänzeln und sich nicht herantrauen.“
Sorchas Gesicht war bräunlich wie gegerbtes Leder, die wenigen Zähne in ihrem Mund standen einsam und glichen den alten Steinfingern, die man manchmal auf der Heide stehen sah. Doch ihre kleinen, dunklen Augen waren flink und nahmen vieles wahr, das anderen entging. Man erzählte sich, dass Sorcha nicht nur das Äußere der Dinge sah, sondern dass ihr Blick tiefer drang, einige sagten sogar, bis in die Hölle
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