Die Gefangene des Highlanders
er plötzlich wieder jenem Braden glich, den sie einmal gekannt und geliebt hatte. Fast zärtlich waren jetzt seine Augen, noch nie zuvor hatte er sie so angesehen.
„Ist das auch die Wahrheit?“, sagte er leise. „Lügst du mich nicht an, Marian?“
Der Zorn der MacArons schoss in ihr hoch, und sie platzte so wütend heraus, dass er erschrocken zurückprallte.
„Verdammt noch mal, Braden MacDean! Glaubst du etwa, ich erfinde solche Sachen, um dir damit einen Gefallen zu tun? Hältst du mich für so eine? Eine Schmeichlerin? Eine, die dir Honig um dein Maul schmiert?“
Zuerst starrte er sie an, steif vor Verblüffung, dann begann es um seinen Mund zu zucken.
„Du würdest wohl in ganz Schottland niemanden finden, der dich für eine Schmeichlerin hielte, Marian“, sagte er heiter.
Es machte sie noch wütender.
„Fang ja nicht an zu lachen“, keifte sie. „Sonst wirst du es bereuen!“
Seine Bauchmuskeln unter dem Überwurf tanzten schon, Lachfältchen erschienen unter seinen Augen, dann stemmte er beide Arme auf die Knie und grölte los. Lachte hemmungslos laut und so fröhlich, wie sie es von ihm lange nicht mehr gehört hatte.
„Du Mistkerl! Ich habe dich gewarnt!“
Außer sich vor Zorn fuhr sie herum, holte aus, um ihm eine wohlverdiente Ohrfeige zu verpassen. Doch er fing ihre Hand mit einer raschen Bewegung ab, rang einen kleinen Moment mit ihr, immer noch lachend und sichtlich bemüht, ihr nicht wehzutun.
„Sei ruhig, Marian“, bat er sie und umfasste jetzt ihr Handgelenk mit eisernem Griff. „Ganz ruhig, sonst wirst du dich verletzen.“
Sie hätte sich die Hand gebrochen, wenn sie weiter gezappelt hätte.
„Du kannst tun und lassen, was du willst, Marian“, sagte er mit einer Stimme, die ganz ungewohnt tief und weich war. „Wenn du die Burg verlassen willst – ich werde es nicht verhindern. Wenn du aber bleiben wolltest – dann sollte es mich freuen.“
Sie hatte noch nicht ganz begriffen, was diese Worte bedeuteten, da spürte sie plötzlich seine heißen, trockenen Lippen auf der Innenfläche ihrer rechten Hand, und sie stieß einen leisen Schrei aus.
Er ließ ihre Hand fahren, erhob sich und ging davon, ohne sich umzusehen.
***
Die folgenden Tage über wechselten sie nur selten ein Wort miteinander. Braden wandte sich seinen Aufgaben als Burgherr zu und schien entschlossen, ihre Entscheidung nicht zu beeinflussen. Gehen oder bleiben – es lag ganz bei ihr.
Doch Marian spürte, dass er sie unablässig beobachtete. Es war ein seltsam prickelndes Gefühl, von seinen grauen Augen verfolgt zu werden, gleich ob sie mit einem Eimer Wasser über den Hof ging, sich in der Halle zu schaffen macht, oder einfach nur in der Sonne saß und das Haar trocknete. Braden mochte sein Interesse an ihr vor seinen Männern als Wachsamkeit über eine Gefangene tarnen, doch Marian konnte er nicht täuschen. Sie war keine Gefangene mehr – er hatte sie freigegeben.
Er ist einfach gespannt darauf, was ich jetzt tun werde, dachte sie vergnügt. Bleiben oder gehen. Das Spiel begann ihr zu gefallen, und sie war bald darauf bedacht, ihn ein wenig herauszufordern.
Bradens Gesichtsausdruck war ihr inzwischen vertrauter geworden, trotz seiner immer noch abweisenden Miene hatte sie gelernt, seine Stimmung zu deuten. Wenn sie auf der Mauer saß, das lange Haar im Wind wehen ließ und spürte, wie der Luftzug das Kleid eng an ihren Körper schmiegte, dann lag Begehren in seinen Blicken. Er wollte sie – eine Tatsache, die sie erregte und zugleich verwirrte.
Was will er mit mir, wenn er seine Sarazenin liebt, dachte sie beklommen. Wenn er einfach nur einen Weiberkittel braucht – warum sucht er sich nicht eine der Bäuerinnen aus? Ich bin nicht sein Liebchen, verdammt. Die Vorstellung, dass Braden sich für eine Nacht oder gar länger mit einer jungen Bäuerin abgeben würde, brachte ihr Blut allerdings derart in Wallung, dass sie diesen Gedanken ganz und gar verwarf.
Stattdessen begann sie, sich um die Einrichtung des Wohnturms zu kümmern, der jetzt fast fertiggestellt war. Energisch forderte sie, dass kleine Konsolen und Wandnischen entstanden, der Boden im ersten Stock mit Holzbohlen und Stroh belegt wurde, sie zog Schnüre, um den Raum abzuteilen und richtete Lagerstätten ein. Braden hatte ihr den oberen Raum überlassen und war freiwillig im unteren Zimmer eingezogen, doch auch hier sah sie mit gewohnter Entscheidungskraft nach dem Rechten, bestimmte, wo die hölzerne Truhe zu stehen hatte,
Weitere Kostenlose Bücher