Die Gefangene des Highlanders
springen, die Lanze werfen, einem Stoß des Gegners geschickt ausweichen – die Buben da unten waren schon nach kurzer Zeit müde, während Ewan und seine Kameraden stundenlang bei der Sache geblieben waren. Sie konnten mit einem einzigen, raschen Schwung in den Sattel ihres Pferdes springen, im Reiten die Lanze ins Ziel werfen, das Schwert mit beiden Händen führen. Ihr Vater hatte ein Kettenhemd für Ewan anfertigen lassen, auch Brust- und Armschienen, denn Ewan hatte davon geredet, sich am Hof des schottischen Königs Willian der Löwe vorstellen zu wollen. Als die neue, glänzende Wehr fertig geschmiedet war, da lag Ewan schon in seinem Grab, und auch Robin war nicht mehr am Leben.
Marian seufzte und hörte Aisleens begeisterten Ausrufen nur mit halbem Ohr zu. Wider Willen musste sie immer wieder zu Braden hinsehen, der sein langes Gewand gegen einen kurzen Überwurf eingetauscht hatte und trotz der Verwundung am Arm mit unglaublicher Gewandtheit die Lanze warf. Wie leichtfüßig er sich bewegte, wie geschickt und rasch er jeden Stoß parierte und scheinbar mühelos über den Gegner hinwegsprang. Die helle Haut seiner Schultern und Arme schien im Mittagslicht zu glänzen, so dass sie das Spiel seiner Muskelpartien deutlich sehen konnte, und sie spürte, wie ihr Herz klopfte.
Was hätte sie nicht darum gegeben, wenn Braden MacDean in einem Turnier für ihre Farben gestritten hätte. Wenn er nach dem Sieg vor ihr auf die Knie gesunken wäre, um seinen Lohn aus ihrer Hand zu empfangen …
Hör auf zu träumen, Marian, dachte sie. Dieser verdammte Mistkerl würde höchstens für seine Sarazenenprinzessin kämpfen.
Noch vor Ende des Übungsprogramms wandte sie sich ab, stieg von der Mauer und suchte sich eine ruhige Ecke hinter der Halle, um ihre Gelassenheit soweit wie möglich wiederzufinden. Bedrückt hockte sie sich auf einen Stein, umschloss die angezogenen Knie mit den Armen und starrte vor sich auf den Boden. Sie hatte sich in eine vollkommen unmögliche Lage gebracht. Aber was, zum Teufel, hätte sie anders machen sollen? Braden ins Messer laufen lassen? Nein, das hätte sie trotz allem nicht gekonnt. Also was? Es fiel ihr keine Lösung ein, so sehr sie sich auch das Hirn zermarterte.
Ein Schatten wuchs dicht neben ihr am Boden, und sie drehte erschrocken den Kopf. Braden trug immer noch den kurzen Überwurf, er musste gleich nach Ende der Übungen auf die Suche nach ihr gegangen sein.
„Hör zu, Marian“, sagte er. „Du hast mich vorhin nicht ausreden lassen. Ich schulde dir Dank, und ich bin keiner, der seine Schuld nicht zahlt. Von nun an wirst du dich hier auf dem Gelände der Burg frei bewegen dürfen, und ich werde dafür sorgen, dass du eine angemessene Unterkunft erhältst.“
Es klang sehr kühl, geradezu verletzend. Nun ja – was sonst hatte sie erwartet. Sie streckte die Beine aus und zupfte ihren Rock zurecht, der sich eng an die Oberschenkel gelegt hatte.
„Was hältst du davon, mich freizulassen?“, erkundigte sie sich mit hochgezogenen Brauen.
Er musterte sie mit klugen, hellgrauen Augen und verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln.
„Wohin wolltest du gehen, Marian? Zurück zu deinem Vater, den du verraten hast?“
Sie ärgerte sich, ließ sich aber nichts anmerken.
„Er wird mir schon verzeihen – schließlich bin ich seine Tochter“, meinte sie leichthin.
Er sollte sich nur nicht einbilden, sie sei von ihm abhängig.
Glaubte er ihr? Nun, auf jeden Fall schien er nachzudenken. Er kam ein paar Schritte näher und setzte sich neben sie auf einen Stein. Marian zitterte, denn die Nähe seines großen Körpers und die Wärme, die er ausstrahlte, verwirrten sie so, dass sie gern davongelaufen wäre. Doch damit hätte sie sich lächerlich gemacht, also blieb sie sitzen und bemühte sich um Gelassenheit.
„Sagtest du nicht vorhin, dass du mir geholfen hast, weil du die Gerechtigkeit liebst?“, forschte er.
„Das sagte ich.“
„Dann glaubst du also daran, dass meine Sache gerecht ist?“
Es wurde ihr immer unbehaglicher, denn sie spürte jetzt seine grauen Augen so eindringlich wie nie zuvor auf sich gerichtet. Was wollte er eigentlich von ihr?
„Ja“, gestand sie schließlich. „Ich bin der Meinung, dass dieses Land und diese Burg dir gehören und dass mein Vater kein Recht hat, dir deinen Besitz zu nehmen. Schließlich war das, was geschehen ist, nicht deine Schuld.“
Der harte Zug um seinen Mund löste sich, und sie stellte erschüttert fest, dass
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