Die Gefangene des Highlanders
die man für den Clanchief gezimmert hatte, legte eigenhändig seine Kleider hinein und schüttelte den Strohsack auf, der sein Lager bildete.
Da stand er plötzlich in der Tür, die Arme vor der Brust verschränkt, ein heiteres Schmunzeln in den Mundwinkeln. Sie richtete sich erschrocken auf und wollte an ihm vorbei nach draußen laufen, doch er wich nicht von der Stelle.
„Es gefällt mir sehr, was du tust“, sagte er. „Du wärest wohl eine gute Burgherrin, Marian.“
Sie glaubte, unverhohlenen Spott in seiner Stimme zu hören, und der Ärger schoss in ihr hoch.
„Falls dies hier eine Burg wäre – vielleicht“, gab sie schnippisch zurück. „Aber dazu fehlt eine ganze Menge. Gekalkte Wände, damit man sie bemalen kann, dazu schön gestickte Teppiche, Truhen, bequeme Betten, Stühle und Polster. Um nur einiges zu nennen.“
Sie sah, wie seine Züge sich verfinsterten, und plötzlich schämte sie sich schrecklich für ihre Worte. Wer hatte denn dafür gesorgt, dass all diese Dinge, die die MacDeans einmal besessen hatten, zerschlagen, geraubt und verbrannt worden waren? Es war ihr eigener Vater gewesen.
„Entschuldige bitte“, stammelte sie unglücklich. „Das war nicht anständig von mir, so etwas zu sagen.“
Er war betroffen, doch anstatt zornig zu werden, blieb er gelassen und sprach leise und eindringlich zu ihr.
„Es ist schade, dass es dir hier nicht gefällt, Marian. Aber ich bin entschlossen, all diese Dinge, die du vermisst, wieder einzurichten, nach und nach wird hier wieder die Burg der MacDeans entstehen, so wie sie einmal gewesen ist, vielleicht sogar noch schöner und größer. Die Burgherrin, die hier an meiner Seite leben wird, braucht allerdings viel Kraft und Geduld. Ich hatte gehofft, dass du, Marian, diese Eigenschaften aufbringen würdest.“
Sie begriff den Sinn seiner Rede erst nach einer kleinen Pause der Verblüffung. Hatte sie recht gehört? Braden MacDean hatte sie soeben um ihre Hand gebeten! War er verrückt geworden? Oder war sie es?
„Tut mir leid!“, platzte sie heraus. „Ich bin noch niemals in meinem Leben geduldig gewesen. Du musst dir eine andere suchen, Braden.“
Sie sah, wie es in seinem Gesicht zuckte, wusste nicht, ob es Schmerz oder Zorn war, aber es war auf jeden Fall besser, sich in Sicherheit zu bringen.
„Ich habe noch zu tun!“, stieß sie hervor ohne ihn anzusehen und machte Anstalten, an ihm vorbei nach draußen zu gehen. Braden wich zur Seite, und sie spürte erschauernd seinen warmen Atem, als sie dicht an ihm vorüberlief.
„Geh zum Teufel!“, hörte sie ihn fluchen.
Dann war sie quer über den Burghof gelaufen, hockte sich auf die gemauerte Einfassung des Brunnens und starrte in die Tiefe des Schachts. In der Mitte des schwarzen Brunnenloches war ein kleiner, heller Fleck, der in der Sonne glitzerte – dort unten war das Wasser.
Burgherrin – was für ein Hohn! Er brauchte eine Kebse, die sein Bett aufschüttelte, und eine Hausfrau, die seine Kleider in die Truhe legte. Eine Frau, die er liebte, brauchte er nicht mehr. Dieser Platz war besetzt.
Braden MacDean musste den Verstand verloren haben, sie um ihre Hand zu bitten. Was glaubte er eigentlich von ihr? Sie war keine Frau, die sich mit halben Sachen zufrieden gab. Sie wollte Braden MacDean ganz oder gar nicht.
In den Nächten lag sie mit offenen Augen auf ihrem Lager und hörte neidvoll Aisleens ruhige Atemzüge. Die junge Frau schlief mit ihrem Kind stets in Marians Zimmer, Swan und Rupert hielten sich in der Nähe des Turms auf, um gleich bei der Hand zu sein, falls die Herrin Wünsche haben sollte.
Warum quäle ich mich, fragte sie sich. Ich sollte zu meinem Vater zurückkehren und Braden vergessen. Soll er sich doch von anderen Frauen das Lager bereiten und den Rücken massieren lassen. Lieber bitte ich meinen Vater um Verzeihung und lasse mich von ihm für eine Weile in den Turm sperren. Irgendwann wird er sich schon wieder beruhigen.
Allerdings würde sie Graham nur sehr ungern heiraten. Viel eher würde sie in ein Kloster gehen. Vielleicht war das gar keine dumme Idee, grübelte sie. Ein paar Jahre, und ich werde Äbtissin sein, dann kann ich die Geschicke des Klosters bestimmen, ihm zu Reichtum und Macht verhelfen, kostbare Bücher anfertigen lassen, Kräuteressenzen herstellen und verhandeln …
Als sie am Morgen erwachte, hörte sie, wie der Regen draußen auf das neu gedeckte Hallendach schlug und die Männer fluchten, denn es war an mehreren Stellen
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