Die Gefangene des Highlanders
begegnen, da hörte sie plötzlich eine wohlbekannte Stimme.
„Marian!“
Er zügelte sein Tier so heftig, dass es seinem Hengst die Vorderbeine vom Boden riss und das Tier mit wildem Schnauben emporstieg.
„Druce MacMorray“, erwiderte sie erleichtert. „Schon so früh am Morgen unterwegs?“
Der große Kerl fuhr sich mit der Hand durch das wollige Haar und schien verlegen.
„Ich … habe den Hengst ein wenig bewegt, du weißt ja, wie das ist, wenn ein Pferd zu lange herumsteht …“
„So ähnlich, wie es einem Ritter geht, der zu lange auf der Burg herumhockt“, gab sie schmunzelnd zurück. „Hast du dich etwa mit Fia getroffen?“
Seine Stirn und Wangen wurden so rot, dass sie förmlich leuchteten.
„Nein, um Gottes willen“, flüsterte er, obgleich niemand außer ihnen in der Nähe war. „Das würde ich niemals wagen. Aber sie hat mir wieder eine Botschaft in einer Schriftrolle geschickt.“ Er fuhr mit der Hand in den Ärmel seines Gewandes und förderte ein kleines, zusammengerolltes Pergament zutage.
Hoffnungsvoll sah er sie an und löste schon den Faden, der die kleine Rolle zusammenhielt.
„Du könntest es natürlich Braden geben“, meinte Marian boshaft. „Vielleicht würde er es dir vorlesen.“
„Braden ist ein Krieger wie ich. Woher sollte er lesen können?“
„Aber er sollte endlich darüber Bescheid wissen, dass du mit Fia Botschaften tauschst!“
„Er wird es bald erfahren, Marian. Vielleicht noch heute. Aber jetzt lies mir bitte vor – wenn ich Braden schon von der Sache erzähle, dann will ich wenigstens wissen, welche Nachrichten Fia mir schreibt.“
„Na schön“, sagte sie zögerlich und nahm die Rolle mit spitzen Fingern in Empfang. Der arme Druce hatte noch keine Ahnung davon, dass er in Zukunft mit Fias Nachrichten allein zurechtkommen musste, denn sie, Marian, würde nicht auf die Burg zurückkehren. Nun – sie würde mit Fia reden und ihr die Augen öffnen.
Gespannt sah er zu, wie sie das Pergament auseinanderrollte und mit gerunzelter Stirn die Worte entzifferte. Sie lächelte dabei, was der vor Ungeduld brennende Druce immerhin für ein gutes Zeichen hielt.
„Nun?“, drängte er, da sie kein Wort sagte und stattdessen immer noch auf das Pergament starrte.
„Gleich …“
Er fasste sich in Geduld, rieb die Hände an den Oberschenkeln und starrte in den Regenbogen, der fein und durchsichtig geworden war.
Marian ließ jetzt das Blatt sinken, und Druce erzitterte, denn das Lächeln war aus ihrem Gesicht verschwunden. Oh Gott – er hatte es ja geahnt.
„Nun sag schon. Ich kann es aushalten. Sie liebt einen anderen, nicht wahr?“
„Ich weiß nicht, womit ich Eure Aufmerksamkeit verdient habe“, las sie vor, „denn ich bin weder schön noch klug, noch Euch sonst in irgendeiner Weise ebenbürtig. Die Worte, die man mir von Euch überbracht hat, haben mich beglückt und meinem Herzen neue Hoffnung gegeben …“
„Das schreibt sie?“, rief Druce überwältigt. „Beglückt? Ihrem Herzen neue Hoffnung? Aber dann …“
„Sei still und hör zu!“, wies ihn Marian zurecht. „Doch das Schicksal will es anders“ , las sie weiter. „Mein Vater bedrängt mich jeden Tag aufs Neue, eine Ehe mit Graham MacBoyll einzugehen, und ich weiß nicht, wie lange ich mich seinem Wunsch noch widersetzen kann …“
Die Worte drangen erst nach einer kleinen Weile in Druce’ Gehirn, das noch vom Rausch der Begeisterung vernebelt war. „Graham MacBoyll?“, stammelte er. „Sie soll Graham MacBoyll heiraten? Großer Gott – das wird nicht geschehen. Nicht so lange ich lebe!“
„Ruhig Blut, Druce“, meinte Marian. „Fia ist stärker, als du glaubst, sie wird ihn nicht heiraten…“
Doch Druce knirschte heftig mit den Zähnen und hatte bereits die Hand an seinen Dolch gelegt.
„Niemals wird sie ihn heiraten“, sagte er düster. „Weil ich es verhindern werde. Es wird einen neuen Kampf geben, Marian. Auf Leben und Tod.“
Marian begriff augenblicklich, dass sie ihm diese Nachricht besser nicht vorgelesen hätte.
„Ich werde nicht dulden, dass Fia einen anderen heiratet – ich hole sie zu mir!“, rief er und zog den Dolch, als wolle er sich bereits jetzt auf die Feinde stürzen. Marian setzte ein ironisches Lächeln auf.
„Du willst die Burg meines Vaters stürmen? Du ganz allein?“
„Braden wird mit mir sein. Er ist mein Waffenbruder, und wir haben einander die Treue geschworen. Ich war an seiner Seite, als er in Not war, und er wird
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