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Die Gefangenen des Korallenriffs

Die Gefangenen des Korallenriffs

Titel: Die Gefangenen des Korallenriffs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jurij Kusnezow
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Rudels übernommen. Natürlich dachte keiner der Tiger daran, das anzufechten.
    »Ich bin der Höhlenlöwe Grau«, erklärte er gleich darauf laut und vernehmlich, »und zu euch ins Zauberland gekommen, um meinem Freund, dem Tapferen Löwen, beizustehen. Wie ihr euch überzeugen konntet, ist mit mir nicht gut Kirschen essen. Also hütet euch davor, irgendwelche Intrigen gegen ihn und die Bewohner des Zauberlandes zu spinnen, habt ihr verstanden? Jetzt aber bringt mich zum Tapferen Löwen!«
    Grau wandte den Tigern mutig den Rücken zu und schlug die Richtung zum Gelben Backsteinweg ein, jene Richtung, die Karfax ihm gewiesen hatte. Die Tiger schlossen sich ihm sofort an. Sie umringten ihn halbkreisförmig und folgten ihm in gebührendem Abstand.
    »Halt!« rief da plötzlich mit heiserer Stimme Achr.
    »Was gibt’s?« fragte der Löwe. Er verlangsamte den Schritt, blieb aber nicht stehen. Alle sollten sehen, daß Achrs Befehle keine besondere Aufmerksamkeit mehr verdienten.
    Der Tiger holte Grau ein und lief nun neben ihm:
    »Ich schlage vor, nicht den Backsteinweg zu nehmen, sondern quer durch die Felder zu gehen. Auf diese Weise sind wir einen Tag früher beim Tapferen Löwen.«
    Grau drehte sich nach den anderen Tigern um. Sie nickten zustimmend.
    »Also gut, lauf voran und zeig uns den Weg«, erklärte sich Grau einverstanden. »Ich kenne euer Reich noch zu wenig.«
    Achr stürzte vor und übernahm erneut die Rolle des Führers. Hätte Grau jetzt seine gelben Augen sehen können, ihm wäre das triumphierende Glitzern darin nicht entgangen: Er und kein anderer bestimmte wieder, was das Rudel zu tun hatte!

DER HINTERHALT
    Sie hatten das Wäldchen hinter sich gelassen und liefen nun zwischen zwei Feldern entlang, deren reife Getreideähren beim leisesten Windhauch nickten.
    Die Tiere hatten sich auf dem schmalen Pfad zu einer langen Kette formiert. Achr führte den Trupp nach wie vor an, Grau folgte ihm auf den Fersen.
    Plötzlich machte der Tiger fast aus dem Stand heraus einen Riesensatz. Der Löwe hätte es ihm spielend gleichtun können, doch er war darauf nicht vorbereitet, tat nur einen Schritt nach vorn und tappte in die Falle! Schon im nächsten Augenblick spürte er, daß ihm der Boden unter den Pfoten wegglitt und er in eine tiefe Grube stürzte.
    Nachdem er sich eine Weile mit herabrieselndem Erdreich, Gras und Zweigen herumgeschlagen hatte, die mit ihm in die Tiefe gerissen wurden, gelang es ihm schließlich, wieder auf die Beine zu kommen. Grau reckte den Kopf in die Höhe und erblickte ein paar Meter über sich ein Stückchen Himmel. Zugleich sah er die hämische Fratze des Tigers Achr, der sich über den Grubenrand beugte.
    »Du behauptest doch, zur Gattung der Höhlenlöwen zu gehören, nicht wahr?« rief er schadenfroh. »Nun, ich hoffe, diese hübsche Höhle ist nach deinem Geschmack! Zwar haben nette Leute sie für uns angelegt, die Säbelzahntiger, doch wir sind nicht knausrig. Für liebe Gäste ist uns nichts zu schade. Mal sehen, vielleicht finden wir auch für deinen Freund, den Tapferen Löwen, so eine behagliche Wohnstatt. Ha-ha-ha!«

    Achr genoß seinen Triumph derart, daß es ihn um ein Haar selbst erwischt hätte. Grau war nämlich unter Aufbietung aller Kräfte jäh in die Höhe geschnellt. Fast hätte er die Krallen in die Schnauze des Tigers geschlagen. Achr prallte erschrocken zurück und entfernte sich unter zornigem Fauchen von der Grube. Ihm war die Lust vergangen, den Löwen noch weiter zu reizen. Er drehte sich zu seinen Artgenossen um, die in einiger Entfernung beisammen saßen. Ihre düsteren Mienen ließen erkennen, daß sie das hinterhältige Manöver ihres Anführers nicht guthießen.
    Immerhin hatte ihn der Höhlenlöwe im ehrlichen Kampf besiegt.
    Achr gab ein herausforderndes Grollen von sich, bereit, sich mit jedem, der es wünschte, in einen Zweikampf einzulassen. Doch niemanden gelüstete es, wegen dieses unvermutet aufgetauchten Fremdlings sein Fell zu riskieren.
    »Gut, Freunde«, sagte der Tiger ein wenig besänftigt, »tun wir, als sei nichts vorgefallen. Es bleibt bei unserem Plan. Unser ›Gast‹ dort in der Grube aber soll erst einmal schmoren und in sich gehn. Sollte er es sich anders überlegen und mit uns gemeinsame Sache machen – bitte sehr, wir sind keine Ungeheuer. Sobald wir die Käuer zur Räson gebracht haben, werden wir uns mit ihm unterhalten und ihn gegebenenfalls aus seinem Verlies befreien.«
    Diese Worte befriedigten die übrigen Tiger schon

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