Die Gegenpäpstin
geschrieben.«
Sie schaute auf, und es kostete ihn eine ungeheuere Anstrengung, nicht zu ihr hinzustürmen, um den Text auf dem Bildschirm
genauer zu inspizieren.
»Aha«, sagte er nur und machte einen verhaltenen Schritt nach vorne.
»Bist du katholisch?«
»Ich bin Ire.«
»Also bist du katholisch?«
»Ja, aber was hat das mit deinen Übersetzungen zu tun?« Er näherte sich vorsichtig, dabei schaute er zum Fenster hin, in den
Garten. Der Himmel hatte sich verdunkelt, und ein Schauer prasselte gegen die Scheiben.
»Sagt dir der Name Maria von Magdala etwas?«
»Ist das nicht die Hure aus der Bibel, von der es heißt, sie habe Jesus die Füße mit ihren Haaren getrocknet?« Mit reiner
Absicht spielte er den Unwissenden. Dabei wußte er nur zu gut, daß der Vatikan Ende der sechziger Jahre nach jahrtausendelanger
Fehldeutung aus der Hure eine Heilige Maria Magdalena gemacht hatte.
Sarah sah ihn strafend an. »Sie war keine Hure, sondern eine gebildete Frau. Sie sprach mehrere Sprachen, war eine Philosophin
und gehörte zum Gefolge des Jeschua von Nazareth. Die meisten seiner Jünger konnten ihr nicht das Wasser reichen, wenn es
darum ging, die Worte ihres Herrn und Meisters zu verstehen.«
»Woher weißt du das alles? Ich kann mich nicht erinnern, so etwas je in der Bibel gelesen zu haben.«
»Oh, du hast die Bibel gelesen?« Ihr Blick war ein wenig spöttisch.
|212| Jetzt hieß es vorsichtig zu sein. »Wir mußten früher an jedem verdammten Tag die Bibel lesen«, gab er mit einem Schnauben
zurück. »Meine Eltern waren strenggläubige Katholiken.«
»Was dich nicht davon abgehalten hat, das Fluchen zu lernen.« Sie lächelte.
Was mich noch nicht einmal davon abgehalten hat, das Töten zu lernen, dachte Padrig. Mittlerweile war er Sarah nahe genug
gekommen, um einen Blick auf den Bildschirm werfen zu können.
»Wir haben so etwas wie eine historische Autobiographie entdeckt«, erklärte sie beinahe feierlich und setzte sich auf die
Schreibtischplatte, wodurch sie ihm die Sicht auf den Bildschirm nahm. »Dieser Text stellt alles in den Schatten, was bisher
an biblischen Texten gefunden wurde.«
Scheinbar beiläufig versuchte er über ihre Schultern einen Blick auf den Bildschirm zu erhaschen, doch Sarah stand auf, drehte
sich um und klappte den Laptop mit einem Lächeln zu.
»Es tut mir leid«, sagte sie mit einem entschuldigenden Schulterzucken. »Mehr kann ich zur Zeit noch nicht darüber sagen.
Zum einen, weil mir Regine von Brest eine Art Schweigegebot auferlegt hat, zum anderen bin ich mit der vollständigen Übersetzung
noch nicht fertig. Es wird noch Wochen dauern.«
Padrig versuchte seine Enttäuschung nicht zu zeigen. »Verstehe«, sagte er. »Na ja, damit hat mein Job ja ohnehin nichts zu
tun. Oder denkst du, es gibt schon jemanden, der um eure Entdeckung weiß und euch deshalb das Leben schwer macht?«
In ihren Augen flackerte Unruhe. »Keine Ahnung«, erwiderte sie ausweichend. »Ich muß jetzt in der Stadt etwas einkaufen. Meine
gesamte Kleidung ist bei dem Brand in Rolfs Haus zerstört worden. Wirst du mich begleiten?«
Padrig räusperte sich. »Ja, klar. Deshalb bin ich ja engagiert worden.« Der Gedanke, dieser Frau womöglich beim Kauf ihrer
Dessous beizustehen, ließ ihn beinahe schwindelig werden.
|213| Padrig spürte ein heftiges Herzklopfen, als er eine halbe Stunde später seinen Dienst-Mercedes der Beginen vor einer Boutique
mit dem Namen
Madeleines
stoppte. Nicht etwa, weil er irgendwelche Verfolger ausgemacht hatte, sondern weil Sarah ihn doch tatsächlich bat, mit hineinzukommen.
Regine von Brest hatte keine Zeit gehabt, sie zu begleiten, und lediglich den Hinweis auf ein spezielles Geschäft in einem
ruhigen Vorort von Köln gegeben.
Ein altmodisches Klingeln und eine Verkäuferin mit einem süßlichen Lächeln empfing sie, als Padrig die Tür hinter sich schloß.
Der Duft eines schweren, aufdringlichen Parfüms lag in der Luft, und mit einem Mal stieg in Padrig die Erinnerung an ein ähnliches
Erlebnis im Belfaster
Smithfield Market
auf.
Vor mehr als fünfzehn Jahren hatte er eine gewisse Cathrine Reilly in eine solche Boutique begleitet. Sie war die Geliebte
eines Buchmachers gewesen, der regelmäßig windige Wetten einging, um die Kassen der Partei zu füllen. Willy McDun war ein
fetter, eifersüchtiger Kerl, der jeden fertigmachen ließ, der seiner Auserwählten zu nahe kam. Padrig hatte damals das zweifelhafte
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