Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
Augen ist es genau die Sorte Blödheit, zu der Bunny imstande ist.«
Einen Moment lang sagte niemand etwas. Henry blickte auf.
Ohne die Brille wirkten seine Augen blind, fremd, starr. »Weiß Marion davon?«
»Nein«, sagte Cloke. »Und mir wär’s auch lieb, wenn ihr nichts davon erzählen würdet, okay?«
»Hast du noch andere Gründe für deine Theorie?«
»Nein. Aber wo könnte er sonst sein? Und Marion hat dir doch erzählt, daß Rika Thalheim ihn Mittwoch vor der Bank gesehen hat?«
»Ja.«
»Das ist irgendwie komisch – aber eigentlich doch wieder nicht, wenn man mal drüber nachdenkt. Sagen wir, er ist mit ein-, zweihundert Dollar nach New York gefahren, ja? Und hat da geredet, als gäb’s ’ne Menge mehr, wo das herkam. Die Typen da hacken dich für zwanzig Kröten in Stücke und stecken dich in einen Müllsack. Ich meine, ich weiß es nicht. Vielleicht haben sie ihm gesagt, er soll nach Hause fahren und sein Konto auflösen und mit allem, was er hat, zurückkommen.«
»Bunny hat überhaupt kein Bankkonto.«
»Soweit du weißt«, gab Cloke zu bedenken.
»Da hast du völlig recht«, sagte Henry.
»Kannst du nicht einfach da anrufen?« fragte Charles.
»Wen soll ich denn anrufen? Der Typ steht nicht im Telefonbuch, und er verteilt schließlich keine Visitenlcarten.«
»Wie nimmst du denn dann Kontakt mit ihm auf?«
»Ich muß einen dritten Typen anrufen.«
»Dann ruf den jetzt an«, sagte Henry gelassen, steckte das Taschentuch ein und hakte sich die Brillenbügel wieder hinter die Ohren.
»Die werden mir nichts sagen.«
»Ich dachte, das wären lauter gute Kumpel von dir?«
»Was stellst du dir vor?«« sagte Cloke. »Glaubst du, diese Typen haben da unten so ’ne Art Pfadfindertruppe? Machst du Witze? Das sind echte Typen. Die machen echte Scheiße.«
Einen furchtbaren Moment lang dachte ich, Francis würde laut loslachen, aber irgendwie gelang es ihm, eine theatralische Hustensalve daraus werden zu lassen, und er versteckte sein Gesicht hinter der Hand. Praktisch ohne ihn eines Blickes zu würdigen, schlug Henry ihm heftig mit der flachen Hand auf den Rükken.
»Was schlägst du dann vor?« wollte Camilla wissen.
»Ich weiß es nicht. Ich würde gern mal in sein Zimmer gehen
und nachgucken, ob er einen Koffer mitgenommen hat oder so was.«
»Ist es denn nicht abgeschlossen?« fragte Henry.
»Doch. Marion hat in der Hausverwaltung gefragt, ob sie’s ihr aufschließen, aber die wollten nicht.«
Henry nagte an seiner Unterlippe. »Tja«, sagte er langsam, »es dürfte ja trotzdem nicht so schwer sein, da hineinzukommen, oder?«
Cloke drückte seine Zigarette aus und sah Henry mit neu erwachtem Interesse an. »Nein«, sagte er. »Dürfte es nicht.«
»Da ist das Fenster im Parterre. Die Sturmfenster sind abgenommen.«
»Mit den Fliegengittern würde ich fertig, das weiß ich.«
Die beiden starrten einander an.
»Vielleicht«, sagte Cloke, »sollte ich gleich mal runtergehen und es probieren.«
»Wir kommen mit.«
»Mann«, sagte Cloke, »wir können doch nicht alle gehen.«
Ich sah, daß Henry einen Blick zu Charles hinüberwarf; Charles erwiderte den Blick hinter Clokes Rücken. »Ich gehe«, sagte er plötzlich mit zu lauter Stimme und kippte seinen Drink auf einmal hinunter.
»Cloke, wie, um alles in der Welt, bist du denn in so was reingeraten?« fragte Camilla.
Er lachte herablassend. »Das ist doch nichts«, sagte er. »Man muß mit diesen Typen auf ihrem eigenen Territorium zusammenkommen. Ich laß mir von denen nicht blöd kommen oder so was.«
Unauffällig schob Henry sich hinter Clokes Sessel, wo Charles stand; er beugte sich hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ich sah, wie Charles kurz nickte.
»Nicht, daß sie nicht versuchen, mich zu verarschen«, sagte Cloke. »Aber ich weiß, wie sie denken. Bunny dagegen, der hat keine Ahnung. Der glaubt, das ist irgendein Spiel, wo die Hundertdollarscheine auf der Erde rumliegen und drauf warten, daß irgendein blöder Bengel kommt und sie aufsammelt ...«
Als er zu reden aufhörte, hatten Charles und Henry erörtert, was immer sie zu erörtern hatten, und Charles war zum Schrank gegangen, um seinen Mantel zu holen. Cloke griff nach seiner Sonnenbrille und stand auf. Er verströmte einen leisen, trockenen Kräutergeruch, ein Echo des Kifferdunstes, der immer in den staubigen
Korridoren von Durbinstall hing: Patschuliöl, Nelkenzigaretten und Räucherstäbchen.
Charles wickelte sich den Schal um den Hals. Sein
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