Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
saß auf dem Bett und rauchte und sah aus, als ob er Magenschmerzen hätte, und schließlich schlug diese – diese Uta, oder wie sie heißt – vor, wir sollten nach oben gehen und Bunnys Hausvorsitzende informieren.«
Francis fing an zu lachen. In Hampden waren die Hausvorsitzenden diejenigen, bei denen man sich beschwerte, wenn die Sturmläden nicht richtig schlossen oder wenn jemand seine Stereoanlage zu laut stellte.
»War gut, daß sie es getan hat, denn sonst ständen wir vielleicht immer noch da«, meinte Charles. »Das war dieses laute, rothaarige Mädchen, das immer in Wanderstiefeln herumläuft – wie heißt sie gleich? Briony Dillard?«
»Ja«, sagte ich. Sie war nicht nur Hausvorsitzende und ein engagiertes Mitglied des Studentenrates, sondern auch Präsidentin einer linken Gruppe auf dem Campus, die sich ständig bemühte, die Jugend von Hampden zu mobilisieren.
»Na, sie hat sich gleich reingestürzt und die Show eröffnet«, erzählte Charles. »Hat sich unsere Namen aufgeschrieben. Eine Menge Fragen gestellt. Bunnys Nachbarn im Flur zusammengetrieben und denen eine Menge Fragen gestellt. Hat im Studentensekretariat angerufen und bei der Hausverwaltung. Die Hausverwaltung meinte, sie schicken jemanden rüber« – er zündete sich eine Zigarette an –, »aber eigentlich wären sie nicht zuständig, wenn ein Student verschwinde; sie solle lieber die Polizei anrufen. Gibst du mir noch was zu trinken?« sagte er zu Camilla.
»Und sind sie gekommen?«
Charles klemmte sich die Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger und wischte sich mit dem Handballen den Schweiß von der Stirn. »Ja«, sagte er. »Zwei Mann. Und von der Hausverwaltung auch zwei.«
»Was haben sie gemacht?«
»Die Hausverwaltung gar nichts. Aber die Polizisten waren sogar ganz professionell. Der eine hat sich im Zimmer umgesehen, während der andere die ganzen Leute im Flur zusammentrieb und Fragen stellte.«
»Was für Fragen?«
»Wer ihn zuletzt gesehen hätte, und wo, und seit wann er weg wäre, und wo er sein könnte. Klingt alles ziemlich naheliegend, aber es war das erstemal, daß jemand diese Fragen stellte.«
»Hat Cloke was gesagt?«
»Nicht viel. Es war ein ziemliches Durcheinander; viele Leute waren da, und die meisten brannten darauf, zu erzählen, was sie wußten – nämlich gar nichts. Um mich hat sich überhaupt niemand gekümmert. Diese Lady, die vom Studentensekretariat runterkam, versuchte immer, sich einzumischen; sie tat hochoffiziell und meinte, das sei keine Angelegenheit für die Polizei, und das College würde sich darum schon kümmern. Irgendwann wurde einer der Polizisten dann sauer.
›Hören Sie mal‹, sagte er, ›was ist los mit Ihnen hier? Der Junge wird seit einer vollen Woche vermißt, und kein Mensch hat bis jetzt auch nur ein Wort davon gesagt. Das ist’ne ernste Sache, und wenn Sie meine unmaßgebliche Meinung wissen wollen, ich glaube, daß das College da einen Fehler gemacht hat.‹ Na, da legte die Lady vom Studentensekretariat aber erst richtig los – und da kam plötzlich der andere Polizist aus dem Zimmer und hatte Bunnys Brieftasche.
Es wurde ganz still. Zweihundert Dollar waren drin, und Bunnys ganze Papiere. Der Polizist, der sie gefunden hatte, meinte: ›Ich glaube, wir sollten jetzt lieber die Familie dieses Jungen informieren. ‹ Alle fingen an zu tuscheln. Die Lady vom Studentensekretariat wurde sehr blaß und sagte, sie wolle sofort in ihr Büro gehen und Bunnys Akte holen. Der Polizist ging mit.
Inzwischen herrschte im Flur ein richtiges Gedränge. Die Leute waren nach und nach von draußen hereingekommen und lungerten jetzt da herum, um zu sehen, was los war. Der erste Polizist sagte allen, sie sollten nach Hause gehen und sich um ihren eigenen Kram kümmern, und Cloke verdrückte sich in dem Durcheinander. Bevor er ging, nahm er mich beiseite und schärfte mir noch mal ein, ich solle ja nichts von dieser Drogengeschichte erzählen.«
»Du hast hoffentlich gewartet, bis sie dir sagten, du könntest gehen.«
»Natürlich. Es hat nicht mehr viel länger gedauert. Der Polizist wollte mit Marion reden, und er sagte mir und dieser Uta, wir könnten nach Hause gehen, wenn er sich unsere Namen und so weiter aufgeschrieben hätte. Das war vor ungefähr einer Stunde.«
»Und weshalb kommst du dann jetzt erst?«
»Moment noch. Ich wollte auf dem Heimweg niemandem über den Weg laufen; also bin ich hinten um den Campus herumgegangen, unten hinter den
Weitere Kostenlose Bücher