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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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pflegte ich mich in der High School jeden Tag zu bekiffen – nicht, weil es mir gefiel; ich bekam kalte Schweißausbrüche und Panikanfälle davon –, sondern weil es einem in den unteren Klassen ein fabelhaftes Prestige verlieh, für einen Pothead
gehalten zu werden, außerdem aber auch, weil ich so geschickt darin war, die paranoischen, grippeartigen Symptome zu verbergen, die es bei mir auslöste.
    Mrs. Corcoran sah mich an, als hätte ich einen Nazi-Fluch von mir gegeben. »Er zieht sich an ?« wiederholte sie.
    »Ich glaube.«
    »Ist er noch nicht einmal angezogen? Was haben denn alle den ganzen Morgen über getan?«
    Ich wußte nicht, was ich darauf sagen sollte. Sie kam die Treppe heruntergeschwebt, Stufe für Stufe, und als ihr Kopf über die Balustrade hinausgekommen war, hätte sie einen ungehinderten Blick auf die Terrassentüren gehabt – das regennasse Glas, die versunkenen Raucher dahinter –, wenn sie hingeschaut hätte. Wir waren starr vor Spannung. Manchmal wußten Mütter nicht, was Pot war, wenn sie es sahen, aber Mrs. Corcoran sah aus, als wisse sie genau Bescheid.
    Sie ließ ihre Handtasche zuschnappen und ließ einen raubvogelhaften Blick umherschweifen – zweifellos das einzige an ihr, was mich an meinen Vater erinnern konnte, und es erinnerte mich an ihn.
    »Nun?« sagte sie. »Würde ihm bitte irgend jemand sagen, er möge sich beeilen?«
    Camilla sprang auf. »Ich hole ihn, Mrs. Corcoran«, sagte sie, aber kaum war sie um die Ecke verschwunden, huschte sie zur Terrassentür.
    »Danke, meine Liebe«, sagte Mrs. Corcoran. Sie hatte gefunden, was sie suchte – ihre Sonnenbrille – und setzte sie auf.
    »Ich weiß nicht, was los ist mit euch jungen Leuten«, sagte sie. »Ich meine nicht Sie speziell, aber dies ist eine sehr schwierige Zeit, und wir stehen alle unter großem Streß, und wir müssen uns bemühen, alles so reibungslos wie möglich vonstatten gehen zu lassen.«
    Cloke blickte rotäugig und verständnislos auf, als Camilla an die Scheibe klopfte. Dann schaute er an ihr vorbei ins Wohnzimmer, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. »Scheiße «, sah ich ihn lautlos sagen, und eine Rauchwolke quoll aus seinem Mund.
    Charles sah es auch und wäre fast erstickt. Cloke riß Bram den Joint aus dem Mund und drückte ihn mit Daumen und Zeigefinger aus.
    Mrs. Corcoran mit ihrer großen Sonnenbrille bekam gottlob
nichts von den Dingen mit, die sich hinter ihrem Rücken abspielten. »Bis zur Kirche ist es eine ziemliche Strecke zu fahren, wissen Sie«, sagte sie, als Camilla um sie herumging, um Francis zu holen. »Mack und ich fahren mit dem Kombiwagen voraus, und Sie können entweder hinter uns oder hinter den Jungen herfahren. Ich nehme an, Sie werden mit drei Autos fahren müssen, obwohl Sie sich vielleicht in zwei quetschen könnten – nicht rennen in Großmutters Haus! « fuhr sie Brandon und seinen Cousin Neale an, die an ihr vorbei die Treppe heruntergesaust kamen und ins Wohnzimmer polterten. Sie trugen kleine blaue Anzüge und Schleifen mit Gummizug, und ihre Sonntagsschuhe machten ein schreckliches Getöse auf dem Fußboden.
    Brandon duckte sich atemlos hinter das Sofa. »Er hat mich gehauen, Grandma.«
    »Er hat Popowisch zu mir gesagt.«
    »Hab’ ich nicht.«
    »Hast du wohl.«
    »Jungs «, donnerte Mrs. Corcoran. »Ihr solltet euch schämen .« Sie machte eine dramatische Pause und musterte ihre erschrockenen, sprachlosen Gesichter. »Euer Onkel Bunny ist tot, und wißt ihr, was das bedeutet? Es bedeutet, daß er für immer fort ist. Ihr werdet ihn nie wiedersehen, solange ihr lebt .« Sie funkelte sie an. »Heute ist ein ganz besonderer Tag. Es ist ein Tag der Erinnerung an ihn. Ihr solltet euch still irgendwo hinsetzen und an all die netten Dinge denken, die er für euch getan hat, statt herumzurennen und diesen hübschen Fußboden zu verschrammen, den Großmutter gerade erst hat neu polieren lassen.«
    Es war still. Neale trat bockig nach Brandon. »Einmal hat Onkel Bunny Drecksack zu mir gesagt«, murrte er.
    Ich war nicht sicher, ob sie ihn wirklich nicht gehört hatte oder ob sie es vorzog, ihn zu ignorieren; der starre Ausdruck in ihrem Gesicht ließ mich vermuten, daß letzteres der Fall sei. Aber da glitt die Terrassentür auf, und Cloke kam mit Charles und Bram und Rooney herein.
    »Oh. Da seid ihr also«, sagte Mrs. Corcoran mißtrauisch. »Was macht ihr da draußen im Regen?«
    »Frische Luft«, sagte Cloke. Er sah mächtig zugedröhnt aus. Ein

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