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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Kopf saß. Ein Bein zuckte noch in einem einsamen Krampf, der allmählich in leises Beben überging und dann ganz aufhörte. Camillas Armbanduhr hatte einen Sekundenzeiger. Wir sahen, wie sie sich leise berieten. Dann war er hinter ihr den Hang heraufgeklettert, hatte sich mit der flachen Hand auf das Knie gestützt, sich dann die Hände an der Hose abgewischt und unser lärmendes Getuschel – tot? ist er  ... ? – mit dem kurzen, unpersönlichen Kopfnicken eines Arztes beantwortet  ...
    - o Herr, wir bitten Dich: Während wir den Heimgang unseres Bruders Edmund Grayden Corcoran betrauern, erinnere Du uns daran, daß wir uns fest dazu bereiten, ihm nachzufolgen. Gib uns die Gnade der vorbereitung auf diese letzte Stunde und beschütze uns vor einem jähen, unvorbereiteten Tod  ...
    Er hatte es überhaupt nicht kommen sehen. Er hatte es nicht einmal verstanden; es war keine Zeit dazu gewesen. Rücklings taumelnd wie am Rand eines Schwimmbeckens, ein komisches Jodeln, rudernde Arme wie Windmühlenflügel. Dann der überraschende Alptraum des Fallens. Jemand, der nicht wußte, daß es auf der Welt so etwas wie den Tod gab, der ungläubig blieb, noch als er ihn sah, der sich nie hätte träumen lassen, daß er je zu ihm kommen würde.
    Aufflatternde Krähen. Glänzende Käfer, die durchs Gestrüpp
krochen. Ein Fleck Himmel, gefroren in wolkiger Netzhaut, sich spiegelnd in einer Pfütze auf der Erde. Juu-huuu. Sein, und dann Nichts.
     ... .ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist, und wer lebt und an mich glaubt, wird niemals sterben  ...
    Die Sargträger senkten den Sarg an langen, knarrenden Gurten ins Grab hinab. Henrys Muskeln bebten unter der Anstrengung; er biß die Zähne fest zusammen. Sein Jackett war auf dem Rücken durchgeschwitzt.
    Ich steckte die Hand in die Tasche und vergewisserte mich, daß die Schmerztabletten noch da waren. Es würde eine lange Heimfahrt werden.
    Die Gurte wurden hochgezogen. Der Pfarrer segnete das Grab und besprengte es dann mit Weihwasser. Erde und Dunkelheit. Mr. Corcoran hatte das Gesicht in den Händen vergraben und schluchzte monoton. Die Zeltplane knatterte im Wind.
    Die erste Schaufel Erde. Der dumpfe Aufschlag auf dem hohlen Sargdeckel erweckte ein flaues, schwarzes, leeres Gefühl in mir. Mrs. Corcoran – Patrick auf der einen, der nüchterne Ted auf der anderen Seite – trat vor. Mit ihrer behandschuhten Hand warf sie den kleinen Rosenstrauß ins Grab.
    Langsam, sehr langsam, mit drogendumpfer, unendlicher Ruhe bückte Henry sich und nahm eine Handvoll Erde. Er hielt sie über das Grab und ließ sie durch die Finger rieseln. Dann trat er mit grausiger Gefaßtheit zurück und strich sich geistesabwesend mit der Hand über die Brust; dabei beschmierte er Revers, Krawatte und sein gestärktes, makellos weißes Hemd mit Lehm.
    Ich starrte ihn an; Julian, Francis und die Zwillinge taten es ebenfalls, und ihre Gesichter zeigten Entsetzen. Er schien nicht zu merken, daß er irgend etwas Außergewöhnliches getan hatte. Völlig still stand er da; der Wind zauste sein Haar, und das trübe Licht blinkte auf dem Rand seiner Brille.

ACHTES KAPITEL
    Meine Erinnerung an die nachfolgende Beerdigungsgesellschaft bei den Corcorans sind sehr nebelhaft – möglicherweise eine Folge der verschiedenen Schmerztabletten, von denen ich auf dem Hinweg eine Handvoll geschluckt hatte. Aber selbst Morphium hätte das Grauen des Geschehens nicht restlos abtöten können. Julian war da, und das war so etwas wie ein Segen; er schwebte durch den Trubel wie ein guter Engel, trieb freundlichen Small talk, hatte für jeden genau das richtige Wort und benahm sich den Corcorans gegenüber (die er in Wirklichkeit ebenso wenig ausstehen konnte wie sie ihn) derart charmant und diplomatisch, daß sogar Mrs. Corcoran sich friedfertig zeigte. Außerdem erwies sich, daß er – der Gipfel der Herrlichkeit, soweit es die Corcorans betraf – ein alter Bekannter Paul Vanderfellers war; Francis, der zufällig daneben gestanden hatte, erzählte, was für ein herrliches Gesicht Mr. Corcoran gemacht hatte, als Vanderfeller Julian erkannte und ihn (»im europäischen Stil«, wie man Mrs. Corcoran einer Nachbarin erklären hörte) mit einer Umarmung und einem Wangenkuß begrüßte.
    Die kleinen Corcorans – die auf die traurigen Ereignisse des Vormittags seltsam aufgekratzt reagierten – flitzten fröhlich umher: Sie warfen mit Croissants,

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