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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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kreischten vor Lachen und jagten durch das Gedränge mit einem grausigen Spielzeug, das explosionsartige Furzgeräusche von sich gab. Mit dem Partyservice war ebenfalls etwas schiefgelaufen – zuviel Schnaps und zuwenig zum Essen, ein verläßliches Rezept für eine bestimmte Art von Trouble. Ted und seine Frau stritten ohne Unterlaß. Bram Guernsey kotzte auf ein Leinensofa. Mr. Corcoran schwankte hin und her zwischen Euphorie und wilder Verzweiflung.
    Nachdem es eine Weile so gegangen war, ging Mrs. Corcoran hinauf ins Schlafzimmer, und als sie wieder herunterkam, lag auf ihrem Gesicht ein furchtbarer Ausdruck. Mit leiser Stimme berichtete sie ihrem Mann, es habe »einen Einbruch« gegeben, eine Mitteilung, die sich – von einem wohlmeinenden Lauscher an
seinen Nachbarn weitergegeben – wie ein Lauffeuer im Raum verbreitete und eine Welle unerwünschter Besorgnis in Gang setzte. Wann war es denn passiert? Was fehlte? War die Polizei informiert? Die Leute brachen ihre Unterhaltungen ab und umringten, magnetisch angezogen, Mrs. Corcoran in einem murmelnden Schwarm. Sie wich ihren Fragen meisterlich und mit einem Air einer Märtyrerin aus. Nein, sagte sie, es habe keinen Sinn, die Polizei zu benachrichtigen: Es fehlten Kleinigkeiten von eher sentimentalem Wert, für niemandem von Nutzen außer für sie selbst.
    Cloke verabschiedete sich bei nächster Gelegenheit. Und obgleich niemand viel dazu sagte, war auch Henry nicht mehr da. Beinahe unmittelbar nach der Beerdigung hatte er sein Gepäck geholt, war in seinen Wagen gestiegen und weggefahren; er hatte sich äußerst flüchtig von den Corcorans verabschiedet und kein Wort zu Julian gesagt, der besorgt darauf brannte, mit ihm zu reden. »Er sieht elend aus«, sagte er zu Camilla und mir. »Ich glaube, er braucht einen Arzt.«
    »Die letzte Woche war schwer für ihn«, sagte Camilla.
    »Gewiß. Aber ich glaube, Henry ist sensibler, als man vielleicht meinen möchte. In vieler Hinsicht ist es schwer vorstellbar, daß er je darüber hinwegkommen wird. Die Beziehung zwischen ihm und Edmund war enger, als Ihnen vermutlich klar ist.« Er seufzte. »Das war ein eigenartiges Gedicht, das er da vorgelesen hat, nicht wahr? Ich hätte etwas aus dem Phaidon vorgeschlagen.«
     
    Gegen zwei begann sich alles aufzulösen. Wir hätten noch zum Abendessen bleiben können, hätten – wenn Mr. Corcorans betrunkene Einladungen Gültigkeit gehabt hätten (das frostige Lächeln seiner Frau hinter seinem Rücken gab uns zu verstehen, daß sie keine hatten) – in alle Ewigkeit als Freunde der Familie bleiben, auf unseren eigenen Pritschen im Keller schlafen und gerne am Leben im Hause Corcoran mit all seinen täglichen Freuden und Leiden teilnehmen können: Familienfeste feiernd, die Kleinen beaufsichtigend, gelegentlich bei der Hausarbeit zupackend, alle zusammen im Team (das betonte er immer wieder), wie es Corcoransche Art war. Es würde kein gehätscheltes Leben sein – er hätschelte seine Jungs nicht –, aber dafür eines, das uns Charakter und Mumm und moralische Maßstäbe verleihen würde, wobei er, was letztere anging, nicht erwartete, daß unsere Eltern sich die Mühe gemacht hätten, uns welche beizubringen.
    Es war vier, als wir endlich wegkamen. Jetzt sprachen Charles und
Camilla aus irgendeinem Grund nicht mehr miteinander. Sie hatten sich wegen irgend etwas gezankt – ich hatte sie im Hof streiten sehen –, und auf dem Heimweg saßen sie die ganze Zeit Seite an Seite auf dem Rücksitz und blickten starr geradeaus, die Arme in absolut identischer Weise vor der Brust verschränkt – ich bin sicher, sie wußten nicht, wie komisch das aussah.
     
    Meine Abwesenheit war mir viel länger vorgekommen, als sie tatsächlich gewesen war. Mein Zimmer wirkte verlassen und klein, als habe es wochenlang leer gestanden. Ich machte das Fenster auf und legte mich auf das ungemachte Bett. Die Laken rochen muffig. Es dämmerte.
    Endlich war es vorbei, aber ich fühlte mich seltsam im Stich gelassen. Ich hatte Kurse am Montag: Griechisch und Französisch. Ich war seit fast drei Wochen nicht mehr im Französischkurs gewesen, und es durchzuckte mich bang, wenn ich daran dachte. Abschlußarbeiten. Ich drehte mich auf den Bauch. Examen. Und in anderthalb Monaten Sommerferien, und wo um alles in der Welt sollte ich sie verbringen? Sollte ich etwa für Dr. Roland arbeiten? Oder als Tankwart in Plano?
    Ich stand auf, nahm noch ein Beruhigungsmittel und legte mich wieder hin.

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