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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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ihr, »ich wünschte, du könntest still sein, damit ich hören kann, was dieser Mensch da zu sagen hat.«
    »Richard?« sagte Francis. »Kommst du mich bitte einfach holen? Bitte?«
    Ich schwieg einen Moment.
    »Also gut«, sagte ich dann. »Gib mir ein paar Minuten Zeit.« Ich legte auf.
     
    Als ich in seine Wohnung kam, lag er bis auf die Schuhe angezogen auf dem Bett. »Fühl mir den Puls«, sagte er.
    Ich tat es, um ihn bei Laune zu halten. Sein Puls ging schnell und kräftig. Francis lag kraftlos und mit flatternden Lidern da. »Was glaubst du, was mir fehlt?« fragte er.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. Er war ein bißchen rot im Gesicht, aber eigentlich sah er so schlecht nicht aus. Immerhin war es möglich – obwohl es sicher Wahnsinn gewesen wäre, es in diesem Augenblick zu erwähnen –, daß er eine Lebensmittelvergiftung oder eine Blinddarmentzündung oder so etwas hatte.
    »Glaubst du, ich sollte ins Krankenhaus gehen?«
    »Das mußt du selbst wissen.«
    Er lag einen Moment lang schweigend da. »Ich weiß nicht. Eigentlich glaube ich, ich sollte.«
    »Okag. Wenn dir dann wohler ist. Komm. Du mußt dich aufrichten.«
     
    Er war nicht zu krank, um auf der Fahrt zum Krankenhaus die ganze Zeit zu rauchen. Wir bogen in die Zufahrt ein und hielten vor dem breiten, hell erleuchteten Eingang mit dem Schild Notaufnahme . Ich stellte den Motor ab. Wir blieben noch sitzen. »Bist du sicher, daß du das machen willst?« fragte ich.
    Er sah mich erstaunt und verachtungsvoll an.
    »Du glaubst, ich simuliere «, stellte er fest.
    »Nein«, sagte ich überrascht; und, um ehrlich zu sein, auf diese Idee war ich tatsächlich nicht gekommen. »Ich habe dir nur eine Frage gestellt.«
    Er stieg aus und schlug die Wagentür zu.
    Wir mußten ungefähr eine halbe Stunde warten. Francis füllte eine Karte aus, und dann saß er mürrisch da und las in alten Heften des Smithsonian -Magazins. Aber als die Schwester schließlich seinen Namen aufrief, stand er nicht auf.
    »Das bist du«, sagte ich.
    Er rührte sich immer noch nicht.
    »Na los«, sagte ich.
    Er antwortete nicht. Ein wilder Ausdruck lag in seinem Blick. »Hör mal«, sagte er schließlich, »ich hab’s mir anders überlegt.«
    »Was? «
    »Ich sage, ich hab’s mir anders überlegt. Ich will nach Hause.«
    Die Schwester stand in der Tür und hörte diesem Wortwechsel interessiert zu.
    »Das ist doch blöd«, sagte ich zu ihm. »Jetzt hast du so lange gewartet.«
    »Ich hab’s mir anders überlegt.«
    »Du warst doch derjenige, der herkommen wollte.«
    Ich wußte, das würde ihn beschämen. Verärgert und meinem Blick ausweichend, knallte er die Zeitschrift auf den Tisch und stakste, ohne sich umzusehen, durch die Doppeltür.
     
    Etwa zehn Minuten später steckte ein erschöpft aussehender Arzt in einem OP-Kittel den Kopf ins Wartezimmer. Ich war der einzige Anwesende.
    »Hallo«, sagte er knapp. »Gehören Sie zu Mr. Abernathy?«
    »Ja.«
    »Würden Sie bitte für einen Augenblick mit nach hinten kommen?«
    Ich stand auf und folgte ihm. Francis saß vollständig angezogen auf der Kante einer Untersuchungsliege, krümmte sich fast bis auf die Knie und sah sehr elend aus.
    »Mr. Abernathy will sich nicht frei machen«, sagte der Arzt. »Und er läßt sich von der Schwester kein Blut abnehmen. Ich weiß nicht, wie wir ihn untersuchen sollen, wenn er nicht mitmacht.«
    Es war still. Das Licht im Untersuchungszimmer war sehr grell. Ich war furchtbar verlegen.
    Der Arzt ging zu einem Waschbecken und wusch sich die Hände. »Haben Sie heute abend irgendwas an Drogen genommen?« fragte er beiläufig.
    Ich merkte, daß ich rot wurde. »Nein«, sagte ich.
    »Ein bißchen Kokain? Speed vielleicht?«
    »Nein.«
    »Wenn Ihr Freund hier etwas genommen hat, wäre es hilfreich, wenn wir wüßten, was es war.«
    »Francis«, sagte ich matt, und ein haßerfüllter Blick ließ mich verstummen: Et tu, Brute .
    »Wie kannst du es wagen«, fauchte er. »Ich habe nichts genommen. Du weißt es ganz genau.«
    »Beruhigen Sie sich«, sagte der Arzt. »Niemand will Sie beschuldigen. Aber Ihr Benehmen ist heute nacht ein bißchen irrational, finden Sie nicht auch?«
    »Nein«, sagte Francis nach einer verwirrten Pause.
    Der Arzt spülte die Hände unter fließendem Wasser ab und trocknete sie mit einem Handtuch. »Nicht?« sagte er. »Sie kommen mitten in der Nacht her und behaupten, Sie hätten einen Herzanfall, und dann lassen Sie niemanden an sich heran? Wie soll ich da wissen,

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